Was Mühlenbauer von heute machen

von Redaktion

Der Beruf des Mühlenbauers ist ausgestorben. Doch auch wenn sich kaum noch Wasserräder und Mahlwerke drehen, wird das Fachwissen und die Technik des alten Handwerks immer noch gebraucht. Ein Beispiel dafür liefert die Firma Muhr, die von Mehl auf Wasser- und Transporttechnik umgestiegen ist. Ein Blick in das Brannenburger Werk.

Brannenburg – Es sind nur noch historische Fotos, die an die Anfänge der Firma Muhr in Brannenburg erinnern. In einer kleinen Werkstatt am Fuße der Berge entwickelte Erhard Muhr, Gründer der gleichnamigen Firma, im Jahr 1959 verschiedene Techniken, die sich aus seinem gelernten Beruf ergaben. Als sogenannter Mühlenbauer beschäftigte er sich mit allem, was früher zum Mahlen von Getreide gebraucht wurde: Seilzüge, Mühlenräder, Wasserreinigung sowie verschiedenste Arbeiten mit Holz und Metall.

Großprojekte in
Kanada und Indien

„Alles Dinge, die wir auch heute noch brauchen“, sagt Roland Muhr. Er und sein Bruder Erhard junior übernahmen das Geschäft des Vaters und bauten die Technik in allen möglichen Bereichen aus.

Roland Muhr ist dabei noch einer der wenigen, die eine Ausbildung zum Mühlenbauer haben. Denn alles, was früher Wasserrad, Schaufeln, Antriebe und Aufzüge betraf, wird heute maximal unter dem Begriff Maschinenbauer zusammengefasst. „Zu unspezifisch“, meint Roland Muhr. Denn das Fachwissen wird nach wie vor gebraucht. Nur eben nicht dort, wo man einen Mühlenbauer erwarten würde. 

Im Fall der Firma Muhr wird dieses Wissen heute in der Wasserkraft- und Schüttguttechnik eingesetzt. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich zum einen alles, was bei Wasserkraftwerken oder Staudämmen gebraucht wird. Sei es bei einem 61 Meter hohen Damm in Kanada, bei dem ein riesiger, verschiebbarer Greifarm dafür sorgt, dass kein Dreck in die Anlage geschwemmt wird. Oder bei einer Talsperre in Indien, dem Kol Dam, bei dem eine Art riesiger Rechen vor die Anlage gebaut wurde, der eine ähnliche Reinigungsfunktion erfüllt. Beides sind zwei große Projekte der Brannenburger Firma.

Von der Werkstatt
zum Mittelständler

Aber auch kleinere Projekte in der Region, wie das Kraftwerk in Töging oder der Staudamm am Inn auf Höhe Thansau, sind Beispiele, bei denen die Technik von Muhr verbaut ist. 

Beim Thema Schüttgut geht es dagegen um alles, was möglichst effizient beladen und transportiert werden soll. Nur, dass es im Vergleich zu früher nicht mehr unbedingt Mehl sein muss. „Das kann feinster Kies aus dem Rohrdorfer Zementwerk sein oder es können auch Plastikpaletten in Mexiko sein“, erklärt Roland Muhr. Über speziell angefertigte Rohre und Verteiler wird das Material in die Lieferwagen gefüllt. Oft läuft das automatisiert ab und wird auf das jeweilige Transportmittel abgestimmt. 

Somit ist die Firma Muhr von einem einfachen Mühlenbauer zu einem mittelständischen Unternehmen gewachsen. Aus der kleinen Werkstatt wurde eine 8000 Quadratmeter große Firmenfläche am Rande von Brannenburg. Hinzu kommen weitere Standorte in Augsburg, Tschechien und Singapur. „Wir haben 150 Mitarbeiter“, sagt der Geschäftsführer. 85 davon arbeiten am Brannenburger Hauptsitz. Je nach Auftrag werden dort die großen Maschinen produziert und getestet, bevor sie weltweit verschickt und vor Ort montiert werden.  

Durch die Großaufträge und die richtige Nische wuchs auch der Umsatz des Unternehmens enorm. Lag dieser im Jahr 2021 noch bei rund 13 Millionen Euro, lag er zwei Jahre später, Ende 2023, bei rund 38 Millionen Euro.

„Durch so große Aufträge kann das natürlich stark schwanken“, sagt Roland Muhr. Insgesamt sei die Nachfrage nach so speziellen Lösungen aber durchaus vorhanden. „Zumindest, wenn man auf der ganzen Welt danach sucht.“

Das Wachstum brachte der Firma auch eine Auszeichnung unter „Bayerns Best 50“ ein. Das Bayerische Wirtschaftsministerium ehrt damit die 50 wachstumsstärksten mittelständischen Unternehmen. „Mit Leistung, Einsatz und Kreativität hat der Mittelstand Tausende Arbeitsplätze geschaffen und so wesentlich zum Wohlstand im Freistaat beigetragen“, hebt der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hervor.

Für die Zukunft
gut aufgestellt

Auch für die kommenden Jahre sieht Roland Muhr das Unternehmen gut aufgestellt. „Wir versuchen, viele unserer Mitarbeiter selbst auszubilden“, sagt er. Schließlich seien die Anforderungen im Vergleich zum klassischen Maschinenbauer oder Wirtschaftsingenieur sehr speziell.

Zu dem alltäglichen Geschäft kommen außerdem Forschungsprojekte, in denen – beispielsweise mit der Technischen Universität München – neue Prototypen entwickelt werden. Diese sollen potenziell noch bessere Reinigungseffekte erzielen oder auf spezielle Anforderungen wie Kühlsysteme oder verschiedene Strömungen im Wasser angepasst sein. „Wir wissen schließlich nie, was genau der nächste Auftraggeber von uns braucht“, meint Muhr. Eines scheint jedoch sicher. Der moderne Mühlenbauer wird immer noch gebraucht.  

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