Rosenheim – Viele Menschen fürchten sich vor der KI. Damit werden Systeme bezeichnet, die menschliches Denken und Lernen nachahmen, um Aufgaben zu automatisieren und zu optimieren. Warum das vor allem eine Chance ist, verrät Schauspieler Michael A. Grimm. Zudem spricht er darüber, warum die KI in seinem Leben durchaus auch hin und wieder für Chaos sorgt.
Was macht Sie zum KI-Experten?
Ich weiß gar nicht, ob ich mich als KI-Experte bezeichnen würde. Ich bin Hand- und Mundwerker. Die Dinge, die meinen Beruf ausmachen, sind im Kern vollkommen Software-unabhängig. Aber natürlich führe ich ein modernes Leben und könnte die künstliche Intelligenz benutzen – beispielsweise bei der Beantwortung von E-Mails oder der Erstellung und Bearbeitung von Textdateien.
Haben Sie Sorge, dass Sie irgendwann einmal von der KI ersetzt werden?
Nein. Wobei ich durchaus weiß, dass es zahlreiche Menschen gibt, die sich darüber Sorgen machen. Es wäre in meinen Augen töricht, dem Thema keine Aufmerksamkeit zu schenken. Wobei die Bezeichnung KI meiner Meinung nach zu einer Art Modebegriff geworden ist, der auf alles angewandt wird, was mit Software zu tun hat. Von einem Großteil der Menschen, die den Begriff KI in den Mund nehmen, kennen sich nur die wenigsten wirklich damit aus. Für mich handelt es sich um eine Software, die nicht mehr starr die Strukturen anwendet, die ihre Programmierer geschaffen haben, sondern ständig ihre Ausführungen verändern kann, durch Eingabe von Dateivorlagen und die Anwendung der Nutzer selbst, sie ist sozusagen lernfähig. Das begreife ich als künstliche Intelligenz.
Wie nutzen Sie KI in ihrem privaten Leben?
Ich schaue mir viele Programme an, die KI nutzen, in der Hoffnung, dass ich etwas finde, was mir in meinem virtuellen Büro hilft. Ich habe sehr viel mit Texten und Kommunikation zu tun. Aber um ehrlich zu sein, ist mir bisher noch keine KI begegnet, die besser aufräumen kann als ich. Zum Teil sorgen die einzelnen Programme nur für Verwirrung und schlagen mir Ordnungen vor, mit denen ich nicht zurechtkomme. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich auch das in den kommenden Jahren noch deutlich verbessert.
Sie geben auch Seminare. Nutzen Ihre Schüler die KI schon, um zu schummeln?
Es kommt hin- und wieder vor, bringt bei mir aber nicht viel. Ich beschäftige mich vor allem mit der Umsetzung von Texten. Außerdem sind die Texte zum Großteil auf einem schlechten Niveau. Ich stehe im Austausch mit einigen Hochschulprofessoren, die haben es öfter mit Studenten zu tun, die künstlich generierte Arbeiten als Semester- oder sogar Doktorarbeiten einreichen. Die Qualität ist auch hier oft schlecht und teils mit hanebüchenen Fehlern. Doch wenn man die Software den Grundstock eines Textes legen lässt und dann Grammatik, Ausdruck und vor allem Sinnhaftigkeit verbessert, bekommt man jetzt schon passable Ergebnisse. Ich meine, dass das Texterstellen per KI in den kommenden Jahren ein höheres Niveau erreichen wird. Wichtig ist eine gute Korrektur durch uns Menschen.
Gut, dass Sie nicht für das Erstellen von Texten bezahlt werden.
Stimmt (lacht). Ich werde in den meisten Fällen für die Darbietung der Texte bezahlt – sei es vor der Kamera oder auf der Bühne.
Und das kann die KI nicht irgendwann übernehmen?
Software ist in der darstellenden Kunst schon lange ein Element. Ich glaube, bei dem Film „Terminator 2“ gab es erstmals einen virtuellen Schauspieler, der komplett vom Computer generiert wurde. Das war ein ziemlich großer Schritt. An einen echten, menschlichen Schauspieler kommt das aber noch lange nicht ran. Aber für nicht allzu Anspruchsvolles kann es genügen. Es muss gar nicht das Bild sein, man merkt es auch schon aufgrund der Stimmen.
Wie meinen Sie das?
Die Software kann künstlich generierten Stimmen zwar täuschend echte Timbres geben, aber die emotionalen Klangfarben, die Betonung funktioniert da nur sehr systematisch, keinesfalls so komplex, wie es unserer menschlichen Ausdrucksweise gerecht wird. Ich höre beispielsweise die meisten Software-gesprochenen Werbungen heraus. Gefühlte 90 Prozent aller Youtube-Werbungen sind künstlich generiert.
Aber auch diese Werbungen hat ja mal ein „echter“ Mensch gemacht.
Das stimmt. Manchen Kollegen, die mit dem Sprecher-Dasein ihr Geld verdienen, brechen dadurch natürlich einige Jobs weg. Damit müssen wir uns alle auseinandersetzen, vor allem alle Wissensarbeiter und viele in der Verwaltung.
Wie sieht es in diesem Zusammenhang eigentlich mit den Urheberrechten aus?
Das ist ein sehr guter Punkt und eine Frage, die geklärt werden muss. Gehen wir davon aus, dass ein Film komplett künstlich erschaffen wird, ohne eine einzige Kameraszene. Dann liegt die Qualität des Films nicht nur in den Händen des Gestalters, sondern auch an der Software. Und darf sich diese Software dann einfach so an dem Material bedienen, das über die Jahre von zahlreichen Kunstschaffenden zusammengesammelt wurde? Gerade dann, wenn diese Kunstschaffenden nicht entlohnt werden? Darf also wirklich nur der Urheber der Software das Geld einsammeln? Spannende Fragen, mit denen man sich jetzt für die nahe Zukunft auseinandersetzen muss.
Also sehen Sie keine Gefahr für die Schauspielerei?
Ich glaube, wir müssen alle ein bisschen die Zähne zusammenbeißen. In wenigen Jahren wird es Filme geben, die komplett von der Software synchronisiert wurden. In diesen Filmen wird es keine echten Synchronsprecher mehr geben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass große internationale Produktionen irgendwann auf echte Synchronsprecher verzichten wollen. Eine Software wird auch in 15 Jahren nicht auf die Sprechqualität eines Menschen kommen, wenn eine hohe Qualität verlangt wird.
Eine Welt ohne Schauspieler wird es also Ihrer Meinung nach auch in 20 Jahren nicht geben?
Sicher nicht. Alle haben gesagt, dass das Theater schließen kann, wenn das Fernsehen kommt. Und sicherlich mussten einige Einrichtungen schließen. Aber ich spiele in so vielen Häusern, die sich nur deshalb halten können, weil Menschen noch immer vorbeikommen, die sich gerne von mir und meinen Kollegen eine Geschichte erzählen lassen wollen. Und das Publikum besteht nicht nur aus über 70-Jährigen. Wir werden also auch zukünftig noch spielen. Wir spielen regelmäßig und oft Theater, trotz Netflix und Amazon Prime. Menschen wollen Menschen von Angesicht zu Angesicht sehen, deswegen wird es unsere Profession auch weiter geben.
Interview: Anna Heise