Töging – Der Raum bei Viscotec ist unspektakulär, kahl und kalt. Hinter durchsichtigen Schutzwänden steht ein einsamer Industrie-Roboter. An seinem Ende laufen Kabel und Schläuche zusammen, befinden sich Halterungen und eine Düse. Genau hier – am Ende eines Roboterarms in Töging – könnte die Antwort sein, warum Flugzeuge, Hubschrauber und Satelliten in Zukunft anders gebaut werden.
In der Luftfahrt werden viele Teile verklebt, versiegelt und abgedichtet: Flügel, Fenster, Nieten, Bordküchen. „Vieles passiert dabei aktuell noch von Hand“, erklärt Simon Widderich, bei Viscotec Key-Industry-Manager Aerospace.
Großes Potenzial
für Automatisierung
Die Flugzeugbauer mischen sich ihre Kleber und Harze zum Teil noch selber an, verrühren sie und tragen sie dann mit Pinsel und Spachtel auf. „Das ist für uns das größte Potenzial“, erklärt Vertriebsleiter Josef Donislreiter. Denn mit der Dosiertechnik von Viscotec sei es möglich, diese Prozesse vom Anmischen bis zum Auftragen teilweise oder sogar vollständig zu automatisieren.
Viscotec ist ein weltweit führender Hersteller von Dosiersystemen für mittel- bis hochviskose Produkte. Das Unternehmen bietet Lösungen für die präzise Dosierung und Abfüllung in automatisierten Prozessen. Damit wären in der Luft- und Raumfahrt auch neue Klebstoffe denkbar, die bisher nicht verwendet werden konnten.
Mit der Töginger Dosiertechnik lassen sich die Prozesse im Flugzeugbau „spürbar“ verkürzen, so Widderich. Das sei aber nicht so entscheidend: „Es geht vielmehr um die Prozessstabilität und die Wiederholgenauigkeit. Das ist in diesem Bereich oft mehr wert, als ob jetzt ein Flügel schneller hergestellt wird.“
Widderich kann dabei auf praktische Erfahrungen bauen. Denn die Töginger Lösungen kommen bereits zum Einsatz: unter anderem bei einem großen europäischen Flugzeugbauer sowie bei einem großen US-amerikanischen, deren Namen Widderich und Donislreiter nicht nennen dürfen.
Zeichen für
Weitsicht und Geduld
Das ist nicht nur ein technologischer Erfolg. Er ist auch ein Zeichen für die Weitsicht und Geduld der Geschäftsführer von Viscotec. „Es gibt Wettbewerber, die sagen, dieser Luftfahrtbereich ist uns zu aufwendig, die Zeit stecken wir da gar nicht rein“, hat Widderich beobachtet. „Das ist eben etwas sehr Langfristiges, das nicht jeder so umsetzen will.“
Viscotec schon. Bereits vor knapp neun Jahren wurde die Luft- und Raumfahrt als möglicher Markt ausgemacht, seither beobachtet, Kontakte geknüpft und erste Lösungen erarbeitet. „Wir haben gesehen, dass das großes Potenzial hat und Anklang am Markt findet“, erzählt Widderich. Seit diesem Jahr ist die Luft- und Raumfahrt für die Töginger ein Kernmarkt, der beständig wachsen soll. Dabei komme es nicht nur auf die kurzfristigen Zahlen an, so Vertriebsleiter Donislreiter. Wichtiger seien die „Beständigkeit“ und dass der Markt „langfristig ein sehr, sehr hohes Potenzial“ habe.
Hier sei auch hilfreich, dass Viscotec ein familiengeführtes Unternehmen sei. Donislreiter: „Die Struktur kommt dem Plan sicherlich entgegen.“ Ihm komme es nicht nur auf die kurzfristigen Zahlen an.
Ursprünglich lieferte Viscotec Dosiersysteme für die Lebensmittel-, Pharma- und Chemieindustrie. Inzwischen hat das Unternehmen auch Märkte im Bereich 3D-Druck, Elektromobilität und Luftfahrttechnik erschlossen, ist nach eigenen Angaben technologischer Marktführer in vielen Industriebereichen.
„Wir sind in dem, was wir machen, jetzt nicht schlecht“, meint Donislreiter bescheiden. „Unsere Technologien gewährleisten ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Prozesssicherheit. Sie sind ein wichtiger Bestandteil für den Erfolg unserer Kunden – vom Elektromotorenbau bis hin zu hochkomplexen Fertigungsprozessen in der Elektronik“, erklärt der technische Geschäftsführer Martin Stadler.
Jährliches Wachstum
um 20 Prozent
Der Lohn: In den vergangenen Jahren wuchs Viscotec jährlich um 20 Prozent. Die Zahl der Mitarbeiter steigerte sich in fünf Jahren von 250 weltweit auf 380. Seine Betriebsfläche verdoppelte Viscotec 2023 auf 15000 Quadratmeter. Pro Jahr setzt das Unternehmen rund 70 Millionen Euro um. Dabei entwickelt sich der Bereich Luftfahrt beständig, besonders in den Hauptmärkten Deutschland, Frankreich und den USA.
Kein Wunder, dass Viscotec auch immer wieder ausgezeichnet wird: als Bayerns „Best 50“ oder als familienfreundliches Unternehmen. Seit 2017 wurde Viscotec bereits sieben Mal für den „Großen Preis des Mittelstands“ der Oskar-Petzelt-Stiftung nominiert. 2022 waren die Töginger unter den Finalisten, heuer waren sie bei der 30. Auflage des Wettbewerbs einer der insgesamt 15 Preisträger aus sieben Bundesländern.
Aushängeschild für
Bayerns Mittelstand
Der Stiftungsvorsitzende, Dr. Helfried Schmidt, hob hervor, dass Unternehmen wie Viscotec, mit Innovation, unternehmerischer Verantwortung und nachhaltigem Wachstum maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beitragen. Die Auszeichnung als Preisträger unterstreiche nicht nur die technologische Expertise, sondern auch das Engagement des Unternehmens als verantwortungsvoller und attraktiver Arbeitgeber und zu einem Aushängeschild für den bayerischen Mittelstand.
„Unsere Mitarbeiter sind das Rückgrat unseres Unternehmens. Ihr Wohlbefinden und ihre Entwicklung stehen für uns an oberster Stelle“, bestätigt Franz Kamhuber, kaufmännischer Viscotec-Geschäftsführer. Die „Mischung aus jungen, frischen Ideen und jahrzehntelanger Erfahrung“ bilde die Grundlage für den Erfolg.
Dieser Erfolg und die Zukunft sind greifbar: zum Beispiel in Form einer Düse am Ende eines Roboterarmes in einem unscheinbaren Raum in Töging.