15 Prozent mehr Insolvenzen

von Redaktion

Trump ist bald an der Macht, Aufträge bleiben aus, Arbeitsplätze werden gestrichen. Geht es jetzt auch mit der Wirtschaft in der Region bergab? So schätzt der Mühldorfer Insolvenzverwalter Florian Loserth die Entwicklung ein.

Mühldorf/Traunstein/Rosenheim – Warnstreiks bei ZF Lifetec in Aschau, bei Jäger in Haag. Das Aus von Dyneon in Burgkirchen, sinkende Umsätze bei Wacker, gedämpfte Nachfrage bei Siltronic in Burghausen. Die Warnzeichen häufen sich. Der Wirtschaft geht es nicht gut. Droht eine Pleitewelle? Sind Arbeitsplätze in Gefahr?

Mehr Pleiten bei
den Amtsgerichten

Ein Blick in das Branchenblatt der Insolvenzverwalter, in den Indat-Report, könnte Angst machen. Von Januar bis September legten die Insolvenzen gegenüber dem Vorjahr bundesweit zu: bei Verbrauchern um 9,4 Prozent, die Unternehmensinsolvenzen natürlicher Personen um 9,1 Prozent und die Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften um 27,7 Prozent. Das Statistische Bundesamt vermeldet heuer Monat für Monat – mit Ausnahme des Juli – verglichen mit dem Vorjahresmonat Zuwachsraten „im zweistelligen Bereich.“

Das ist auch in der heimischen Region zu spüren. Hier liegen beim Amtsgericht Mühldorf (zuständig auch für den Landkreis Altötting) sowie beim Amtsgericht Traunstein (zuständig auch für den Landkreis Berchtesgadener Land) die Zahlen bis Oktober vor. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr sind heuer in Mühldorf 15 Prozent mehr Unternehmensinsolvenzen und 51 Prozent mehr Privatinsolvenzen zu erwarten; in Traunstein sind es elf Prozent mehr Privatinsolvenzen, dafür aber rund 14 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen. „Statistisch ist die Entwicklung nur sehr schwer greifbar“, warnt der Mühldorfer Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Florian Loserth vor voreiligen Schlüssen. Die absoluten Zahlen sind dafür einfach zu klein und die Größe der betroffenen Unternehmen wird nicht berücksichtigt.

Das Amtsgericht Mühldorf hat bis Oktober die Insolvenzen von 87 Verbrauchern und von 88 Unternehmen erfasst; in Traunstein sind es 103 Privatpersonen und 100 Unternehmen. Zum Vergleich: In diesem Einzugsbereich leben insgesamt rund 520000 Menschen.

Das Amtsgericht Rosenheim führt keine Statistik, so der dortige Gerichtssprecher Richter Stefan Tillmann. Die Zahl der Verfahren sei nicht aussagekräftig genug. „Zudem kommt es nur in einem Teil der Verfahren überhaupt zur Insolvenzeröffnung. Ganz allgemein gilt, dass auch die Entwicklung der Insolvenzverfahren nur einen Teil der Wirtschaftsentwicklung abbildet.“ Das weiß auch Rechtsanwalt Loserth, der vom Privatmann bis zu Industriebetrieben berät und verwaltet: „Als Verwalter hat man nur einen subjektiven Einblick. Insgesamt deckt sich aber der subjektive Eindruck mit den Statistiken: Es wird mehr.“ Laut Statistischem Bundesamt kamen heuer im ersten Halbjahr auf 10000 Unternehmen 31,2 Unternehmensinsolvenzen. Am stärksten betroffen waren (bezogen auf 10000 Unternehmen) Verkehr und Lagerei mit 60,9 Fällen, das Baugewerbe (47,4), sonstige Dienstleistungen (46,8) sowie das Gastgewerbe (40,8).

Nachhol-Effekt
nach Corona

Für Florian Loserth sind das auch Nachwirkungen von Corona. Während der Pandemie war die Antragspflicht bei drohender Insolvenz ausgesetzt – und so konnte manches angeschlagene Unternehmen das Ende hinauszögern. „Wir haben hier also auch einen gewissen Nachholeffekt.“ Insgesamt sei die Zahl der Insolvenzen wieder „auf dem langjährigen Vor-Corona-Niveau.“

Betroffen sind
auch größere Firmen

Trotzdem: Die aktuelle Wirtschaftslage verschärft die Lage. „Man merkt schon, dass jetzt auch größere Unternehmen in die Schieflage kommen“, warnt Loserth. Das betrifft auch immer mehr Mitarbeiter. Im ersten Halbjahr 2023 waren bayernweit nur rund 8000 Mitarbeiter betroffen, so das bayerische Landesamt für Statistik, heuer waren es in den ersten sechs Monaten knapp 17000. Loserth: „Das ist eine Verdoppelung.“

Ein Grund: „Die Kostenstruktur steigt“, beobachtet Loserth. Energie, Strom, Löhne und die „geplante Erhöhung des Mindestlohns um 20 Prozent“, das schlage alles durch. Für einen Gastwirt bedeute das „eine Kostensteigerung um bis zu 50 Prozent. Da kann sich jeder ausrechnen, was das Schnitzel jetzt im Vergleich zu vor drei Jahren kosten müsste. Das ist am Markt aber nicht umsetzbar.“ Die Folge: „Bei vielen Unternehmen sinkt die Ertragskraft.“ Einfach weil die Kosten steigen oder die Nachfrage sinkt – oder beides gleichzeitig.

„Und dann sind viele Branchen auch vom Strukturwandel betroffen“, ergänzt Loserth. Er nennt als Beispiel den Trend zum Online-Shopping. Was das für den Einzelhandel bedeutet, sei in den Innenstädten zu sehen.

Vorsichtiger Optimismus

Loserth ist für die heimische Region trotzdem vorsichtig optimistisch: „Wir haben sehr viel Mittelstand. Da steht der Unternehmer noch mit Haus und Hof für sein Unternehmen gerade. Diese Unternehmen sind oft stabiler als große Konzerne.“ Gleichwohl spüren auch die heimischen Firmen die einbrechende Konjunktur und die steigenden Zinsen. „Das macht es für alle schwieriger.“

Auch für seine Arbeit als Insolvenzverwalter. „Wir wollen ja einen Betrieb erhalten und restrukturieren, damit er künftig wieder erfolgreich ist“, erklärt Loserth seine Aufgabe. „Dafür brauchen wir aber auch einen Kapitalmarkt und eine Stimmung, die es ermöglicht, Investoren zu finden, die den Betrieb übernehmen wollen. Das wird aber zunehmend schwieriger.“

Artikel 6 von 7