Polling/Garching – Die Wärmeversorgung mit heißem Wasser aus der Tiefe, das sei die Zukunft, „das ist ein Bodenschatz“, den es zu heben gelte, betont Peter Reichenspurner. Er ist zusammen mit Partnern und einem Team dabei, mit der Erdwärme Inn Bayern GmbH (EWI) in privater Initiative diesen Schatz für die Region Mühldorf bei Polling zu heben.
„Wir haben in Bayern Glück, dass wir die Geothermie haben“, so Projektleiter Bernhard Gubo. Die Wärmeversorgung mit dem heißen Wasser der Tiefengeothermie sei ein Zukunftsmodell für diese bayerische Region. „Nun gilt es, diesen Wärmeschatz für Haushalte und Gewerbe zu erschließen.“
Seit 2018 betreibt der Gemüse-Produzent „Reichenspurner Hof“ Gewächshäuser in Tüßling und Weiding. Hier werden das Jahr über Erdbeeren, Tomaten und Paprika angebaut. Schon bei der Planung zu den Gewächshäusern war klar: Langfristig muss die Wärmeversorgung auf eine regenerative Technologie umgestellt werden.
Daher hat sich Peter Reichenspurner Partner gesucht. Zusammen treiben sie mit der EWI seit fünf Jahren die Geothermie in Polling voran.
Die EWI entwickelte ein Konzept und bekam das Aufsuchungsfeld Polling zugeteilt, verbunden mit der Erlaubnis zur Nutzung geothermischer Tiefenwärme. Das Unternehmen kümmerte sich um die Gutachten und Pläne, entwickelte das Bohrfeld, organisierte und finanzierte die Bohrungen, die 20 Millionen Euro gekostet haben. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), ohne die ein rein wärmegeführtes Geothermieprojekt nicht umsetzbar wäre. Am Gründonnerstag 2024 erfolgte der Startschuss für die Bohrungen am Hans-Ruhland-Weg 10 in Polling. Knapp zwei Monate später stieg über dem Bohrplatz erstmals weißer Wasserdampf auf.
Ein erster Erfolg. In rund drei Kilometern Tiefe und nach einer Bohrlänge von knapp vier Kilometern war die Erdwärme auf heißes Tiefenwasser gestoßen. Am 5. September war auch die zweite Bohrung erfolgreich. „In Rekordzeit“, so Projektleiter Gubo.
Die Ergebnisse haben die Erwartungen vollumfänglich erfüllt. In Zukunft stünden rund 30 Megawatt (MW) thermische Leistung zur Verfügung. Das ergibt pro Jahr eine Wärmemenge von etwa 200000 Megawattstunden (MWh).
Sofort trieb die EWI die weiteren Arbeiten voran: den Bau der Fernwärmeleitungen zu den Gewächshäusern in Weiding und Tüßling. Nächstes Jahr um diese Zeit sollen sie angeschlossen, soll Heizen mit geothermischer Wärme möglich sein.
Gleichzeitig baut das Unternehmen auch Übergabestationen. Die Wärme wird in etwa 50 zu 50 aufgeteilt, für die Gewächshäuser und für anschlusswillige Gemeinden und Unternehmen, so die EWI. Der Markt Tüßling hat schon eine Machbarkeitsstudie für ein Fernwärmenetz in Auftrag gegeben. Die Stadt Mühldorf hat mit ihren Stadtwerken ihr Interesse für einen Anschluss hinterlegt, ebenso das „InnKlinikum“ für das Mühldorfer Haus und das Mühldorfer Landratsamt für seine umliegenden Liegenschaften. Das bestätigen die Pressesprecher den OVB-Heimatzeitungen.
Auch Polling möchte ein Fernwärmenetz errichten. Eine Nachfrage zum aktuellen Stand ließ Bürgermeister Lorenz Kronberger unbeantwortet. Die EWI freut sich über die Nachfrage: „Es gibt bereits zwei konkrete Anfragen von energieintensiven Unternehmen“, sagt Projektleiter Gubo. Die wären bereit, sich wegen der Geothermie eigens in der Region anzusiedeln. „Wer zuerst zugreift, der bekommt die Wärme“, so das Credo der EWI. Den Betrieb überwachen in den nächsten Jahren die Stadtwerke München. Die betreuen rund um München bereits acht Geothermieprojekte. Gubo: „Die sind sehr erfahren und haben eine kompetente Mannschaft aufgebaut. Sie garantieren die Betriebssicherheit.“ Bis die Geothermie für die Erdwärme Inn Bayern GmbH in eine Gewinnzone eintritt, wird es dennoch wohl rund 15 Jahre dauern, heißt es aus Unternehmenskreisen. Bis dahin stehe der Aufbau im Vordergrund; der sei in den ersten Jahren durch die Gewächshäuser gesichert.
Die EWI-Gesellschafter freuen sich generell über den Ausbau der Geothermie in Bayern, speziell auch über die Projekte in Ampfing und Aschau. Das erlaube vielleicht auch einmal eine Zusammenarbeit, um die Netze noch besser, effektiver und sicherer zu machen.
Weil Reichenspurner und sein Team an die Geothermie glauben, denken sie auch schon weiter. Sie haben in ihrem Bohrfeld bereits einen zweiten Bohrplatz auserkoren, falls mal Bedarf besteht. Denn für sie steht fest: Die Zukunft liegt in der Wärme des heißen Tiefenwassers.