„Amerikanisierung der Gastronomie“

von Redaktion

Bayerns Dehoga-Chef Dr. Thomas Geppert über Gastro-Trends und Sorgen der Wirte

Wasserburg/Rosenheim – Eine Nachricht jagte in der Gastro-Szene 2024 die nächste: Es ging um Wirtshäuser, die schlossen, und Inhaber, die verzweifelt nach Nachfolgern suchten, oft erfolglos. Manchmal ist die Rettung jedoch gelungen: so wie beim „Valentino“ in Haag, das die Familie Igerl aufgab und wo nach einigen Monaten Leerstand das indische Restaurant von Jasvier Singh eröffnete.

Immer weniger
bayerische Gasthäuser

Im Zentrum der 6600-Einwohner-Gemeinde gibt es jetzt sogar zwei indische Restaurants, aber nur noch ein typisch bayerisches Gasthaus. Auch in der Kleinstadt Wasserburg mit 13000 Einwohnern sind zwei Gastronomiebetriebe mit indischer Küche ansässig, außerdem mehrere Anbieter mit weiteren asiatischen Spezialitäten.

Was ist deren Erfolgsgeheimnis? Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, bringt es kurz und knapp auf den Punkt: „Es sind die Kosten.“ Gastronomie mit deutscher und bayerischer Speisekarte habe es oft schwerer, weil der Wareneinsatz viel größer sei als bei Pizza und Pasta oder Curry-Reis. Hinzu komme die Tatsache, dass sich Betreiber mit Wurzeln aus dem Ausland oft leichter tun würden, Personal zu gewinnen. Nicht selten sei der Betrieb eine Familiensache: Von der Oma in der Küche bis zum Jugendlichen beim Bedienen würden alle mit anpacken. Viele Familien würde außerdem im gepachteten Gasthof einziehen, hier quasi auch wohnen.

Betriebe, die Personalprobleme hätten und unter der Kostenentwicklung leiden würden, geraten schnell in Gefahr – und damit auch die Wirtshauskultur. Die Dehoga geht nach eigenen Angaben davon aus, dass 2024 etwa 2000 Gasthäuser in Bayern aufgegeben haben oder schließen werden. Viele Orte haben gar keinen Wirt mehr.

Geppert stellt deshalb klare Forderungen an die Politik, die nach seiner Meinung ein Instrument hat, das schnell Wirkung zeigen könne: die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent. Auch eine Möglichkeit, Arbeitszeiten flexibler einzuteilen, könnte helfen, das personalintensive Gastgewerbe besser aufzustellen. Derzeit sei eher das Gegenteil der Fall: mehr Be- statt Entlastung für die Branche, auch durch viel zu viel Bürokratie und Auflagen.

„Ich warne vor einer Amerikanisierung der Gastronomie, auch auf dem Land“, nennt Geppert eine weitere Entwicklung beim Namen, denn nicht nur in den Städten, auch in kleineren Kommunen sei die System-Gastro mit Imbissen und Fastfood-Angeboten auf dem Vormarsch, während die kostenintensive deutsche Küche zu kämpfen habe. Gut frequentiert seien zwar die Edel-Gastronomie und Betriebe mit Spitzenküche sowie Restaurants in größeren Städten, „in denen was los ist“. Hier sei sogar oft ohne Reservierung kaum ein Platz zu bekommen.

Nachfolger
unter Druck

Doch das typische Wirtshaus auf dem Land, in dem die Familie sonntags einkehre und gute Küche zu vernünftigen Preise angeboten werde, drohe auszusterben. Es ist laut Dehoga ein stilles Dahinsiechen, sang- und klanglos würden oft Wirtshäuser auf dem Land schließen, auch weil sich die nächste Generation den massiven Druck durch Personalprobleme und Kostensteigerungen nicht mehr antun wolle.

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