Eine Innovation für schneearme Winter

von Redaktion

Skifahren auf Kunststoffmatten ist in manchen Ländern so normal wie in Deutschland auf Schnee. Doch ist diese Lösung wirklich die unausweichliche Alternative im Klimawandel oder am Ende doch nur eine teure Spielerei? Ein exklusiver Blick in die Entwicklung eines Kiefersfeldener Herstellers.

Kiefersfelden – „In Saudi-Arabien ist das Fahren darauf Standard, in den USA wird das System immer weiterentwickelt und in der Ukraine steht eine der größten Flächen der Welt.“ Wolfgang Schmidt, Inhaber und Gründer der Firma Skitrax aus Kiefersfelden, kann dutzende Beispiele nennen, bei denen Skifahren nicht mit Schnee, sondern mit Kunststoff verbunden ist. Seit knapp 20 Jahren beschäftigt er sich mit der Alternative, die er in Deutschland immer noch erklären muss. 

Skifahren – auch
ohne Schnee

Um es kurz zu machen: Beim sogenannten „Dry Slope“ (zu Deutsch: trockener Hang) werden etwa 20 Quadratzentimeter große Kunststoffplatten ineinandergesteckt und auf einem Hang verlegt. Tausende von kleinen Noppen, die auf jeder Platte integriert sind und die mit einem Gleitmittel bepinselt werden, simulieren dabei das, woran es immer mehr mangelt: den Schnee. „Da können Sie jeden Profifahrer fragen – das Abfahrtsgefühl ist quasi dasselbe“, versichert Schmidt, der mit seiner Firma weltweit vertreten ist. 

Die Produkte des Kiefersfeldener Unternehmens haben sich über die Jahre weiterentwickelt. Beim Gespräch mit dem OVB steht Schmidt immer wieder auf und holt etwas Neues aus dem kleinen Lager. Zum Beispiel unterschiedlich harte Noppen, auf denen nicht nur Skifahren, sondern auch Rutschen, Rodeln oder Langlaufen möglich wären.

Es gibt temporäre künstliche Skipisten für den Winter oder dauerhafte Alternativen für den Sommer. Bei Letzteren wird mit einem Vliesstoff und durchlässigen Platten gearbeitet, damit das Gras durchwachsen kann. „Gemäht wird es durch die Kanten der Skier beim Darüberfahren wie von selbst“, erklärt der Experte. Selbst ein Skirennen wäre dank der möglichen Verankerung von Slalomstangen möglich. 

Rentabilität der
Skigebiete sinkt

Dass Schmidts Entwicklung früher oder später auch in der Region notwendig werden könnte, zeigt ein Blick auf die aktuelle Forschung. Laut einer Studie der Universität Bayreuth haben in gut 50 Jahren rund 13 Prozent aller Skigebiete ihre natürliche Schneedecke verloren. „Die wirtschaftliche Rentabilität vieler Skigebiete wird sinken“, sagt Dr. Veronika Mitterwallner, Mitarbeiterin an der Professur für Sportökologie. 

Hierzulande viele
Vorbehalte

Nicht umsonst werden die Ersatzplatten in anderen Ländern immer beliebter. 19000 Quadratmeter liegen etwa im Vynnyky Ski Resort in der Ukraine – wenn auch aufgrund des Krieges gerade ungenutzt. In Amerika gibt es sogar erste Alternativen zur Alternative. „Da wird mit den Platten eine Art Reifenrutsche im Skigebiet gebaut, ähnlich, wie wir es von Wasserrutschen kennen“, sagt Schmidt. Auch in Asien seien der Markt und das Interesse an den Kunststoffmatten enorm. 

Aber warum gibt es dann in Deutschland nur eine Handvoll Testflächen wie in den vergangenen beiden Jahren am Hocheck in Oberaudorf? „Hier ist alles unendlich kompliziert“, seufzt Schmidt. Vorbehalte von Behörden, Eigentümern und Naturschützern sind Dinge, mit denen der Entwickler nahezu täglich konfrontiert sei. Die häufigsten Argumente laut Wolfgang Schmidt: „Wir kleistern den Hang zu, schaden dem Boden und Skifahren wird in 100 Jahren sowieso keiner mehr machen. Alles Schwachsinn!“, meint er. Der Skitourismus würde speziell in den großen Gebieten keineswegs nachlassen, sondern sich lediglich verschieben. „Rund 30 Prozent der Menschen, die an den Hang kommen, fahren zwar kaum noch Ski, sondern wollen lieber auf die Hütte oder Alternativen nutzen. Der Tourismus im Winter lässt aber dadurch nicht nach“ , sagt Schmidt.

Nach Ischgl kamen im Jahr 2023 beispielsweise fast 30 Prozent mehr Übernachtungsgäste als im Vorjahr. Rund eine halbe Million Skipässe wurden verkauft und ein Rekordumsatz von 90 Millionen Euro erreicht. „Unsere Erwartungen wurden übertroffen“, meint Thomas Köhle, Geschäftsführer des Tourismusverbands Paznaun-Ischgl.

Dass es eine gewisse Bereitschaft sowie die finanziellen Mittel für die Kunststoffplatten braucht, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen. Ganz grob nennt Schmidt die Kosten betreffend eine Zahl von 100000 Euro für 5000 Quadratmeter Fläche. „Das kommt aber sehr darauf an, welche Platten für welchen Bereich mit welcher Infrastruktur gebraucht werden“, meint der Entwickler. 

Inwieweit die Matten auch in Deutschland salonfähig werden, vermag er nicht zu sagen. „Da bräuchte es mehr Druck vonseiten der Verbände oder Ski-Clubs, die ihre Mitglieder verlieren.“ Andernfalls sieht Schmidt den Skisport ähnlich gefährdet wie den Schwimmunterricht. „Ohne Bäder lernt keiner mehr schwimmen und ohne Pisten irgendwann auch keiner mehr skifahren.“

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