Die Eisenbahnbrücke über den Inn muss ich mit dem Radl am Ufer täglich unterqueren. Dort hat die Straße eine Engstelle und jedes Mal muss ich aufpassen, dass ich unter der Brücke nicht selber unter die Räder komme.
Der Blick auf die Brücke aber ist mir jeden Tag neu eine Inspiration. Gleich zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine wurde eine Brücke bei Irpin, die Romanovsky-Brücke westlich von Kiew, zum Symbol für die verzweifelte Lage der Zivilbevölkerung. Das ukrainische Militär hatte die eigene Brücke sprengen müssen, um einen weiteren russischen Vormarsch auf die ukrainische Hauptstadt zu verhindern. Um die Welt gegangen sind damals die Bilder fliehender Zivilisten, die in ihrer Not durch den kalten Fluss wateten oder versuchten, Rollstühle über Holzplanken zu balancieren. Normalerweise vereinen Brücken ja Menschen, Völker und Landschaften. Sie überwinden tiefe Schluchten, unwegsame Täler und reißende Flüsse. Brücken sind mehr als nur funktionale Konstruktionen aus Holz, Stein, Eisen oder Stahl, die zwei Orte auf der Landkarte miteinander verbinden. Nicht umsonst ist ausnahmslos auf jedem Euroschein eine Brücke abgebildet. Brücken sind Symbole einer menschlicher Sehnsucht. Es heißt, wer eine Brücke überquert, lässt die Vergangenheit hinter sich und bricht zu neuen Ufern auf. Wir alle müssen auf unsere Weise immer wieder Brückenbauer sein. Für den Frieden und von Mensch zu Mensch.