Er bringt die Kuh in Wallung

von Redaktion

Tobias Meltl aus Eiselfing hat einen Beruf, den nicht jeder macht, und bei dem so mancher, dem er davon erzählt, schmunzeln muss: Er ist Besamungstechniker bei CRV Deutschland in Rottmoos bei Wasserburg. Täglich sorgt er dafür, dass Kühe trächtig werden. Ein Blick hinter die Kulissen.

Wasserburg/Eiselfing – Grüner Anzug, Gummistiefel: Tobias Meltl aus Eiselfing ist bereit, seinen Beruf auszuführen. „Ela soll heute zweimal Hag bekommen“, liest Meltl die Instruktionen vor, die der Landwirt ihm auf einem kleinen Whiteboard hinterlassen hat, und streift sich den roten Handschuh bis hoch zur Schulter über, bevor er zu seiner Kundin herantritt. Diese schweigt und sagt nichts dazu. Denn Ela ist keine normale Kundin – und Meltl keiner, der einen Beruf wie jeder andere ausführt. Ela ist eine Kuh und Meltl Besamungstechniker. An diesem Tag wird er dafür sorgen, dass Ela mit dem Samen des Bullen Hag trächtig wird.

130 Betriebe
an einem Tag

Seit knapp 17 Jahren ist der Eiselfinger bereits Besamungstechniker, seit elf Jahren ist er bei CRV Deutschland in Rottmoos bei Wasserburg tätig. „Manchmal schmunzeln die Menschen schon, wenn sie erfahren, was ich beruflich mache“, sagt er mit einem leichten Grinsen. Unter Landwirten werde seine Tätigkeit aber durchaus wertgeschätzt.

Etwa 130 Betriebe zwischen Gars und Ramerberg betreut Meltl und hat schon mehreren Tausenden Kühen in seiner Laufbahn zu ihrem Glück verholfen. Ela ist eine von seinen Stammkundinnen. „Die letzten dreimal wurde sie schon bei der ersten Besamung trächtig“, erzählt Meltl. Sie habe eine gute „Brunst“. Ausgeprägte Gebärmutter, hohe Schleimproduktion, der richtige Zyklusabstand von etwa 21 Tagen – all das sind Anzeichen, auf die Meltl achtet, bevor und während er besamt. Auch das Verhalten der Kuh könne die Brunst anzeigen, erklärt Meltl. „Brünstige Kühe springen oder sind manchmal sehr anhänglich“, sagt er. Bei Ela sieht auch dieses Mal alles „wunderbar“ aus, stellt Meltl fest.

Dann geht alles recht schnell. Ein kleines Pfeifen, ein paar beruhigende Worte und eine Streicheleinheit und schon führt Meltl mit einer fließenden Bewegung seinen Arm in Elas Gebärmutter ein.

Zufall hilft bei
der Berufswahl

„Adrenalin und Blut sind die Gegner des Samens“, erklärt Meltl. Deshalb sei es wichtig, vorsichtig vorzugehen, um die Kuh weder zu verletzen, noch zu stressen. Zudem helfe ein vorsichtiges Vorgehen auch dabei, Tritten vorzubeugen.

„Das letzte Mal wurde ich vor fünf Jahren getreten, damals war ich selber schuld. Ich bin ohne Vorwarnung an die Kuh gegangen und sie ist erschrocken“, erzählt Meltl. Daraus habe er gelernt. Keine Minute später ist der Samen schließlich in Ela platziert.

Schließlich führt Meltl auch das Besamungsgerät ein: Ein dünnes Metall-Rohr, in das er den Samen des Bullen Hag eingeführt hat. Das Sperma von etwa 80 bis 90 weiteren Bullen hat Meltl immer im Auto mit dabei. Eine Kanne gefüllt mit Flüssig-Stickstoff hält das Ejakulat frisch. Samen von 426 verschiedenen Bullen wurden von den knapp 50 Besamungstechnikern des CRV Deutschland allein im März ausgegeben. Etwa 6500 bis 7000 Tiere betreut der Eiselfinger regelmäßig. Genau könne er es gar nicht sagen, sagt Meltl. An einem Tag fährt er aber durchschnittlich 25 Betriebe ab, pro Betrieb besamt er durchschnittlich 1,5 Kühe. Etwa 38 Kühe werden so täglich durch Meltl hoffentlich trächtig. Inzwischen ist er sogar Vorsitzender des Verbands Bayerischer Besamungstechniker (VBB).

Dabei kam er eigentlich nur durch Zufall in die Besamungstechnik. Der Vater sei zwar ebenfalls schon in diesem Beruf tätig, aber „ich wollte ursprünglich Molkereifachmann werden“, erzählt Meltl. Eine Ausbildungsstelle habe er aber nicht gefunden, so sattelte er um und begann eine Ausbildung zum Landwirt auf dem elterlichen Hof.

„Auf dem kleinen Betrieb gab es aber nicht so viel Arbeit, deshalb wurde ich gefragt, ob ich auch im Stierstall aushelfen würde“, sagt Meltl. So sei er im Besamungsbetrieb der Molkerei Bauer gelandet und habe schließlich den vierwöchigen Kurs zum Besamungstechniker abgeschlossen. Anschließend folgte die Weiterbildung zum Fachwirt für Besamungstechnik.

Seine Arbeit mache ihm sehr viel Spaß. „Mir hat in der Landwirtschaft immer schon der Kontakt mit den Tieren mehr Freude bereitet als die technische oder Feldarbeit“, erzählt er. Besonders schätze er auch den Austausch mit den Landwirten. Zwischen zwei und 130 Tiere würden sich auf den jeweiligen Höfen befinden, die er betreue. Manche Bauernhöfe begleite er schon seine gesamte Berufslaufbahn. „Man ist irgendwie auch ein Teil davon. Und es ist schön, zu sehen, wie sich die Betriebe wandeln und weiterentwickeln“, sagt er.

Kuh Ela jedenfalls scheint zufrieden. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 90 Prozent ist Ela nun trächtig. „Das ist von Tier zu Tier unterschiedlich“, sagt Meltl. Meist liege sie bei 70 Prozent. „Aber bei ihrer Historie ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Besamung klappt“, sagt Meltl.

In etwas über neun Monaten wird Ela dann ein Kalb gebären. Danach folgt eine etwa 100-tägige Rastzeit, um sie zu schonen, bevor Meltl sie wieder besamt, damit Ela weiter Milch produziert.

„Die Regel: Ein Jahr, eine Kuh, ein Kalb gilt nicht mehr“, sagt Meltl. Die genetischen Voraussetzungen seien durch die Zucht weit genug fortgeschritten, um den Zeitraum zu strecken, in denen die Kuh nicht trächtig ist.

80 bis 90 Prozent
sind nun trächtig

Dennoch wird Meltl Ela zweifellos bald wiedersehen. Bis dahin gibt er dem Tier noch eine kleine, lobende Streicheleinheit. Dann folgt das Desinfizieren der Hände und Stiefel, bevor es zurück ins Auto und auf zum nächsten Betrieb geht, wo mit Sicherheit schon die nächste tierische Kundin auf den Besamungstechniker wartet.

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