Rechtmehring/Albaching/Soyen – „Wir schämen uns für den Genossenschaftsverband“, teilen die ehemaligen Aufsichtsräte des Bankhauses RSA, Franz Sanftl, Altbürgermeister der Gemeinde Albaching, Karl Fischberger, Altbürgermeister der Gemeinde Soyen, und Johann Riedl aus Soyen (alle drei nach Jahrzehnten als RSA-Aufsichtsräte aus Altersgründen ausgeschieden) schriftlich mit. „Was hier mit ‚unserer Bank‘ getrieben wird, kann man nicht in Worten ausdrücken und macht uns nur noch fassungslos.“ Man könne es auch als „perfekten Bankraub“ bezeichnen, so Fischberger.
Kooperationsvertrag
geschlossen
Der Grund für die Vorwürfe: das derzeitige Beben rund um das Bankhaus RSA, mit Geschäftsstellen in Rechtmehring, Soyen, Albaching, Wasserburg und München. Der Platow-Brief, ein Informationsdienst für Wirtschaft, Kapitalmarkt und Politik, hatte im Mai berichtet, dass das Geldinstitut in „finanzielle Schieflage“ geraten sein soll. Ende Mai folgte der Rücktritt des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Alfred Pongratz. Nun ist auch RSA-Vorstand Andreas Thalmeier abgesetzt worden, wie Mark Mühlberger, Vorstand des Bankhauses RSA eG, erklärte.
Darüber hinaus wurde ein Kooperationsvertrag zwischen dem Bankhaus RSA und der Volksbank Raiffeisenbank Rosenheim geschlossen, wie beide Geldinstitute auf Anfrage bestätigten. Stehen damit die Zeichen auf Fusion?
Regelmäßige
Prüfungen
Das befürchten Sanftl, Fischberger und Riedl. „Über die Jahrzehnte unserer ehrenamtlichen Tätigkeit als Aufsichtsräte fand jährlich die Kreditprüfung, die Prüfung der Geschäftsführung und in gewissem Turnus die Wertpapierprüfung statt. Festgestellte Mängel wurden in Abstimmung mit Vorstand, Aufsichtsrat, Innenrevision und den Prüfern besprochen und im gegenseitigen Einvernehmen behoben“, erklären die drei ehemaligen Aufsichtsräte.
Das Kundenkreditgeschäft, die Zinsänderungsrisiken wie auch die Gesamtbankrisikosteuerung (GeBaRiS) hätten in keiner Bilanzprüfung Anlass gegeben, Fehler und Versäumnisse innerhalb der RSA-Bank zu vermerken. Die drei ehemaligen RSA-Aufsichtsräte betonen, dass der Verband auf der Generalversammlung im Mai 2024 viel Lob für die hervorragende Arbeit und das bislang beste Bilanzergebnis in der Geschichte der RSA-Bank ausgesprochen habe.
Kehrtwende hat
sich abgezeichnet
Dann stand die Prüfung der Bilanz 2024 an. Hier habe sich bereits zu Prüfungsbeginn Anfang 2025 eine Kehrtwende vonseiten des Genossenschafts-Prüfungsverbands abgezeichnet, so Fischberger, Riedl und Sanftl.
Langjährige Bestandskunden der RSA-Bank hätten den ehemaligen Aufsichtsräten mitgeteilt, dass von den Prüfern „ein großer Teil der Kreditsicherheiten angezweifelt, Bewertungen nach ‚unten‘ gerechnet und damit vom Kunden eine Nachsicherung der Kredite verlangt wurde. Ansonsten drohe eine Kündigung des Kredits mit sofortiger Rückzahlung, was für manchen Kunden den Verkauf von Bestandsimmobilien bis hin zur Insolvenz bedeutet hätte“, teilen die ehemaligen Aufsichtsräte mit. Seit vielen Jahren würden große Bankhäuser versuchen, die kleinen Volks- und Raiffeisenbanken aufzulösen beziehungsweise über Fusionen verschwinden zu lassen, sind Fischberger, Riedl und Sanftl überzeugt.
Beispiele für Fusionen in den vergangenen Jahren sind unter anderem die Frankfurter Volksbank, die 2024 mit der Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg fusionierte sowie der Zusammenschluss der Volksbank Mittelhessen mit der VR-Bankverein Bad Hersfeld-Rotenburg. Die VR Bank Rosenheim ist selbst das Ergebnis einer Fusion von mehreren Genossenschaftsbanken, darunter die Volksbank Raiffeisenbank Rosenheim-Chiemsee eG und die VR meine Raiffeisenbank eG (Altötting).
Das funktioniere am einfachsten, wenn man die Regularien und die Eigenkapitalanforderungen für „kleine“ Banken genauso einfordere wie für Großbanken, mit der Gewissheit, dass dies für die „kleinen“ Häuser nicht zu schaffen sei, so die drei ehemaligen Aufsichtsräte.
Wird nun auch die RSA-Bank Opfer einer „Druck-Fusion“ mittels Wertberichtigung? Die ehemaligen Aufsichtsräte befürchten dies. Sie sehen ein Muster in der Vorgehensweise: „Die Prüfer des Verbands zweifeln an der Werthaltigkeit der zur Absicherung ausgegebener Kredite angesetzten Sicherheiten. Kann der Kreditnehmer keine ‚Nachsicherung‘ anbieten, werden die Kredite als zweifelhafte Forderungen gebucht. Es wird damit unterstellt, dass der Kredit ausfallgefährdet sei und wird in der Bilanz faktisch als sofortiger Verlust als Einzelwertberichtigung ausgewiesen, obwohl kein Verlust für die Bank entstanden ist“, erklären die drei ehemaligen Aufsichtsräte.
„Für diese Kredite werden Einzelwertberichtigungen (EWB’s) in Millionenhöhe in die Bilanz eingestellt. Der Gewinn in Millionenhöhe verwandelt sich in einen Verlust und die Bank ist somit nicht mehr handlungsfähig. Vorstand und Aufsichtsrat geraten unter massiven Druck und der Vorstand wird zum Rücktritt gezwungen“, erklären sie. „Damit steht die Bank quasi unter Zwangsverwaltung des Verbands und von der BaFin werden externe Vorstände mit Generalvollmacht in der Bank eingesetzt“, so Fischberger, Riedl und Sanftl. Der bisherige Vorstand sei abgelöst und der Aufsichtsrat – als Vertreter der Mitglieder und Eigentümer der Bank – werde entmachtet, fassen sie die Vorgehensweise zusammen.
Fischberger, Riedl und Sanftl weisen die Vermutungen zurück, die RSA hätte sich durch ihr rasantes Wachstum „übernommen“. „Sollte dem so sein, dann hätte auch der Prüfungsverband in den vergangenen Jahren irgendwelche Hinweise oder Auffälligkeiten in den Prüfungen feststellen müssen“, betonen sie. Das sei nicht der Fall gewesen.
„Wenig
Überlebenschancen“
„Das Bankhaus RSA wird nach unserer Einschätzung den durch die EWB’s verursachten Verlust nicht ausgleichen können“ – und somit „wenig Überlebenschancen“ haben, so die ehemaligen Aufsichtsräte. Sollte das Ergebnis auch in die Steuerbilanz übernommen werden, drohen den Gemeinden Gewerbesteuerrückzahlungen in Millionenhöhe, warnen Fischberger, Sanftl und Riedl.
Die Sicherungseinrichtung (Rettungsschirm) des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) würde zum Tragen kommen. Das heiße, der Verband würde eine Ausfallbürgschaft für den Bilanz-Verlust übernehmen. Zudem müssten Vorstand und Aufsichtsrat einem von der Sicherungseinrichtung vorgegebenen Sanierungsplan zustimmen.
Das Bankhaus RSA trage den Verlust für das Jahr 2024 mit allen Konsequenzen für Kunden, Mitarbeiter und Gemeinden, der Aufsichtsrat werde aufgelöst und durch den Aufsichtsrat der aufnehmenden Bank ersetzt, erklären die drei ehemaligen Aufsichtsräte.
Die rund 5000 Mitglieder als Eigentümer der Bank könnten zukünftig nicht mehr über eine Generalversammlung von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen und mitbestimmen, wer sie im Aufsichtsrat vertreten soll, wie die Gewinnverteilung erfolgt oder wie hoch ihre Dividende verzinst werde. Das übernehme dann eine Vertreterversammlung, mit allen Konsequenzen für die Mitglieder. „In Fachkreisen nennt man dies auch eine Enteignung“, so Fischberger, Riedl und Sanftl.
Mark Mühlberger, Vorstand der RSA-Bank, äußert sich auf Anfrage zu den Vorwürfen der drei ehemaligen Aufsichtsräte. Er erklärt, dass das Geldinstitut „zu einzelnen Prüfungen, deren Inhalten oder Ergebnissen sowie zu einzelnen Kreditnehmern keine Stellung nehmen kann“.
Er teilt schriftlich weiter mit: „Grundsätzlich gilt: Alle genossenschaftlichen Banken unterliegen der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung nach Paragraf 53 Genossenschaftsgesetz. Diese erfolgt regelmäßig und nach den jeweils aktuellen fachlichen und regulatorischen Standards. Dass Bewertungen im Zeitverlauf angepasst werden können, ist Ausdruck dieser laufenden Weiterentwicklung und dient ausschließlich dem Ziel, Risiken realistisch einzuschätzen und die Stabilität des Hauses zu sichern.“
„Für uns als Bank ist der Genossenschaftsverband ein wichtiger Partner, der mit seiner unabhängigen Einschätzung dazu beiträgt, die Interessen unserer Mitglieder und Kunden bestmöglich zu schützen“, so Mühlberger.
Grundlage für
Synergien
„Mit Blick auf die aktuelle Kooperation mit der ‚meine Volksbank Raiffeisenbank Rosenheim‘ möchten wir betonen: Sie schafft die Grundlage, um Kräfte zu bündeln, Synergien zu nutzen und die Zukunftsfähigkeit des Bankhauses nachhaltig abzusichern. In der Regel bedeutet Kooperation, dass beide Häuser zunächst in bestimmten Bereichen eng zusammenarbeiten, gemeinsame Projekte aufsetzen und voneinander lernen. Erst wenn diese Zusammenarbeit erfolgreich verläuft, kann in einem weiteren Schritt theoretisch auch über eine Fusion nachgedacht werden – über die dann ausschließlich die Mitglieder in einem transparenten Verfahren entscheiden“, erklärt der Vorstandsvorsitzende.
Verband nimmt
Stellung
Dr. Gerald Schneider, Pressesprecher des Bayerischen Genossenschaftsverbands, nimmt auf Anfrage ebenfalls zu den Vorwürfen der ehemaligen RSA-Aufsichtsräte Stellung: „Unsere Prüfungen erfolgen auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben (Paragraf 53 GenG) sowie anerkannter Standards der Risikoorientierung. Sie sind dynamisch angelegt und berücksichtigen stets das aktuelle wirtschaftliche und regulatorische Umfeld. Ziel der Prüfung ist es, die Stabilität der Institute zu sichern, Risiken frühzeitig sichtbar zu machen und damit die Interessen der Mitglieder, Kunden und der gesamten genossenschaftlichen Finanzgruppe zu schützen.“
Schneider erklärt, dass sich die Organisation als gesetzlicher Prüfungsverband aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht nicht zu einzelnen Prüfungen oder Jahresabschlüssen äußern könne. „Dies gilt sowohl für laufende Prüfungen als auch für Feststellungen in einzelnen Mitgliedsbanken.“
Keine
„Fusionspolitik“
Weiter betont der Pressesprecher, dass Entscheidungen über Kooperationen sowie Fusionen ausschließlich bei den zuständigen Organen und Mitgliedern der jeweiligen Bank liegen würden. „Der Prüfungsverband trifft hierzu keine Entscheidungen und verfolgt auch keine ‚Fusionspolitik‘“, verdeutlicht er. Zudem würden „operative Maßnahmen, wie Nachsicherungen oder Kreditentscheidungen allein in der Verantwortung der jeweiligen Bankvorstände“ liegen.