Waldkraiburg – Mehr als eine Woche ist es inzwischen her, dass der Waldkraiburger Automobilzulieferer „Süddeutsche Gelenkscheibenfabrik“ (SGF) beim Amtsgericht Mühldorf einen Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung gestellt hat. Dieser Insolvenzantrag ist zunächst Ausdruck von Problemen beim Unternehmen. Er ist aber auch ein Symptom für die Krise in der Automobilindustrie und ein weiteres Alarmzeichen für die wirtschaftliche Lage, in der sich Deutschland und zunehmend auch Bayern befinden.
„Das Problem der SGF bestand zunächst weniger auf der operativen Ebene, sondern mehr in der hohen Verschuldung und der damit verbundenen Kapitaldienstfähigkeit“, erklären die SGF-Chefs Arne Festerling und Josef Wimmer die Schieflage des Unternehmens mit rund 500 Mitarbeitern. Zur Schuldenhöhe macht SGF derzeit keine Angaben.
Bisherige Bemühungen
gescheitert
SGF habe seit Anfang 2023 versucht, das Unternehmen zu sanieren, teilt Unternehmenssprecher Cord Schellenberg auf Anfrage mit: mit einer Schließung des Werkes Waltershausen oder veränderten Abwägungen, Teile selbst zu produzieren oder von außen zu beziehen. Die bisherigen Sanierungsbemühungen seien aber „kurzfristig gescheitert“, daher musste jetzt der Insolvenzantrag gestellt werden.
2024 hatte SGF weltweit noch einen Umsatz von 110 Millionen Euro. Mittlerweile habe sich der Markt noch weiter abgeschwächt, schreibt Schellenberg. „Für das Jahr 2025 gehen wir von einem weiteren Umsatzrückgang aus.“ Vor allem der Markt für E-Fahrzeuge laufe nicht wie prognostiziert. Damit wäre SGF auch ein Symptom einer allgemeinen Krise, die über die Automobilindustrie hinausgeht. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen ist in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Juli 2025 gegenüber dem Vorjahresmonat um 19,2 Prozent gestiegen. Das sei die höchste Zuwachsrate seit Oktober 2024 (plus 22,9 Prozent), so das Bundesamt. Seit 2021 steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen wieder Jahr für Jahr. Beim Amtsgericht Mühldorf sind bis Ende August bereits 94 Unternehmensinsolvenzen gemeldet worden; im Vorjahr waren es im gesamten Jahr 105. Geht es so weiter, könnte die Zahl bis Jahresende auf 141 steigen. Ähnlich hoch lag diese Zahl zuletzt 2019 (148).
Negativtrend
bei den Insolvenzen
„Die Zahl der Insolvenzen in der Region Altötting-Mühldorf bleibt bislang noch übersichtlich, scheint aber dem oberbayerischen Negativtrend zu folgen“, sagt dazu Almut Burkhardt, Pressereferentin der IHK für München und Oberbayern. „Die Betriebe leiden unter der schwachen Nachfrage und Konsumzurückhaltung und vor allem unter hohen Kostenbelastungen, egal ob bei Energie, Rohstoffen oder den Löhnen.“
Die IHK-Konjunkturumfrage vom Frühjahr habe laut Burkhardt gezeigt, dass die Lage bei den Unternehmen in Südostoberbayern und insbesondere in der InnSalzach-Region angespannt bleibe. „Drei Jahre Dauerkrise, ohne dass die Betriebe vorher ausreichend Zeit hatten, sich von der Corona-Krise zu erholen, haben ihre Spuren hinterlassen.“ Sieben von zehn Unternehmen würden die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als riskant für ihr Geschäft bezeichnen. „Das war ein Negativrekord“, sagt Burkhardt.
„Wir sind in einem Zeitalter der Multikrisen“, stellt Michael Verken fest. Verken ist Anwalt bei der Kanzlei Anchor, bei SGF vorläufiger Sachwalter und auch Teil des Sanierungsteams bei der Kathrein-Gruppe in Rosenheim.
Ein Abschwung nach
langem Aufschwung
„Wir hatten jetzt eine sehr lange Phase, in der das Geld billig war, wo es vielen, vielen Branchen gut ging.“ Seit 2009 seien die Insolvenzen zurückgegangen. „Dann kam Corona, dann kam der Ukraine-Krieg, dann kamen die erhöhten Zinsen, es kam der Rohstoffpreis, der gestiegen ist, und so weiter.“ Die aktuelle Entwicklung sei auch Teil eines normalen Konjunkturverlaufs: „Wir leben immer noch in einer freien Marktwirtschaft, da haben wir immer die Phasen Aufschwung und Abschwung.“
„Die konjunkturelle Lage bereitet mir Bauchschmerzen. Ein Aufwärtstrend ist kaum in Sicht“, warnt auch Ingrid Obermeier-Osl, IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf, vor einem weiteren Abschwung. Sorgen bereiten ihr die Automobilbranche sowie die Chemieindustrie.
„Die Regierung
muss endlich liefern!“
„Die Regierung muss endlich liefern! Sie bleibt in der Pflicht, schnelle und verbindliche Anreize für mehr Arbeit, für mehr Investitionen und für weniger Bürokratie zu setzen“, fordert Obermeier-Osl. „Unser Wirtschaftsstandort steckt gehörig in der Schieflage, Anzeichen für eine Wende sind nicht zu erkennen.“
Sachwalter Verken ist – zumindest für SGF – nicht so pessimistisch. Die Lösung für das Waldkraiburger Unternehmen soll ein Investor sein, der international gesucht werde: „Es gibt schon erste lose Interessensbekundungen. Es ist nicht so, dass die Automotivebranche komplett am Boden ist. Aber es ist schwieriger, definitiv“, sagt er.