Ein Meilenstein für das Raublinger Radteam: Teammanager Ralph Denk, damals noch unter dem Namen Bora-hansgrohe, Radstar Peter Sagan und Bora-Gründer Willi Bruckbauer. Foto RALPH SCHERZER
Das Raublinger werkhaus im Jahr 2000. Foto Bora
Rosenheim/Raubling – „Genau genommen hatte ich keine Wahl“, sagt Willi Bruckbauer, als er auf seine Kindheit in Rosenheim angesprochen wird. Was aus dem Mund eines selbstbestimmten Gründers von einer der bekanntesten Marken der Region etwas seltsam klingt, ergibt erst einen Sinn, wenn man sich mit dem Namen Bruckbauer näher beschäftigt. Denn seit sechs Generationen steht er für eine Rosenheimer Schreinerwerkstatt. Und so wurde auch bei Willi Bruckbauer ganz klar vorgelebt, in welche Richtung es gehen sollte. „Über die Realschule zur Schreinerlehre. Es gab keine Diskussionen mit meinem Vater.“
Aufgewachsen
in Rosenheim
Das Lächeln des heutigen Bora-Chefs, während er von seiner Vergangenheit erzählt, zeigt jedoch, dass er keinen Groll gegenüber der teilweise strengen Tradition hegt. „Meine beiden Geschwister und ich hatten eine glückliche Kindheit“, betont der 59-Jährige. Aufgewachsen in der Kufsteiner Straße, turnte der junge Willi schon zwischen Kreissäge und Hobelspänen umher und machte die Werkstatt des Vaters, Wilhelm Bruckbauer senior, zu seinem „Spielplatz“.
Doch spätestens nach der Meisterschule in Garmisch-Partenkirchen stand es fest. „Ich wollte mich selbstständig machen.“ Nach einem kleinen Disput mit seinem Vater einigten sich die beiden, dass jeder seinen eigenen Weg geht, und Willis Bruder Markus die Schreiner-Tradition in Rosenheim aufrechterhält.
Doch allzu weit entfernte sich Willi Bruckbauer thematisch nicht. Vor genau 25 Jahren schuf er das werkhaus in Raubling. Ein Gebäude, das verschiedene Gewerke unter einem Dach versammelt, um hochwertige Lösungen für den Kunden anzubieten. Ein Beispiel: „Eine Küche von uns lag damals bei rund 50000 Mark, heute kann man das so ungefähr auch in Euro berechnen“, erzählt Bruckbauer. Doch auch Parkett, Böden oder Möbel werden im werkhaus angeboten.
Was mittlerweile alles überstrahlt, ist jedoch der Name eines speziellen Dunstabzugssystems, der sich von einem kroatischen Fallwind ableitet: Bora. „Wir haben das Prinzip nicht erfunden, aber ich habe jahrelange daran getüftelt, dass der Abzug so effizient wie möglich und besser als eine Haube funktioniert“, sagt Bruckbauer.
Das Prinzip ist relativ schnell erklärt. Statt wie bei einer „gewöhnlichen“ Haube nach oben, wird beim Kochen der Dampf direkt über das Kochfeld nach unten angesaugt. Eine Idee, die mittlerweile 750 Mitarbeiter und 1000 Handelspartner beschäftigt, damals aber maximal ein Nischenprodukt war.
„Die ersten Jahre waren hart“, erinnert sich Bruckbauer. Die Bank wollte seine Idee nicht finanzieren, und so musste der Rosenheimer 2007 zur Gründung einiges aus dem Eigenkapital schöpfen. „Keine einfache Phase, aber ich verliere ungern“, sagt der Bora-Gründer. Eine Eigenschaft, die er schon als Kind beim Monopolyspielen in sich trug und die sich später auch bei seiner zweiten großen Leidenschaft manifestierte – dem Radsport.
Zehn Jahre lang fuhr Willi Bruckbauer ambitioniert, war auch bei internationalen Rennen vorne dabei und dadurch an der Grenze zum Radprofi. Doch Bruckbauer setzte sich ein Ultimatum. „1990 habe ich gesagt, entweder du fährst nächstes Jahr den Giro d‘Italia oder du hörst auf.“
Da es nicht ganz für eine der größten Rundfahrten der Welt reichte, zog der Unternehmer die Konsequenz und erschuf ein paar Jahre später seine eigene Marke.
Doch der Bezug zum Radsport war deswegen noch lange nicht vorbei. Denn damals lernte Bruckbauer Ralph Denk kennen, den heutigen Teamchef von Red Bull-Bora-hansgrohe. Dieser fuhr ebenfalls beim Bruckmühler Radverein und war genau wie Bruckbauer nah an der deutschen Spitze. Seitdem verbindet die beiden eine Freundschaft.
Ein Umstand, der die Marke Bora zumindest unter Sportlern zum bekanntesten Dunstabzug der Welt machen sollte. Schon 2012 stieg die Firma als Sponsor beim Team von Ralph Denk ein.
„Damals noch ganz klein auf dem Ärmel der Trikots“, erinnert sich der Geschäftsführer. Doch sowohl das Raublinger Radteam als auch der Kochfeldabzug wuchsen. Mittlerweile ist man bei der Tour de France gesetzt und dank gekoppelter Werbung konnte Bruckbauer „schon mal zehn Leute mehr am Montag im Kundenservice arbeiten lassen“, weil viele Radsportfans bei den Etappen am Wochenende durch den Namen auf den Trikots auf das Unternehmen aufmerksam wurden.
Aber auch privat ist Bruckbauer dem Radsport verbunden geblieben. „Ich fahre nach wie vor um die 10000 Kilometer pro Jahr. Vielleicht keine Sechs-Stunden-Touren mehr, aber zwei dürfen es schon regelmäßig sein.“
Seine Fahrräder sind daher, wie bei den meisten Radsportlern üblich, teurer als sein Auto. Von Neubeuern aus, wo Bruckbauer mittlerweile zu Hause ist, schwingt er sich gerne auf sein Rennrad, fährt den Inn entlang oder das Sudelfeld hinauf und hört sich dabei Podcasts an. „90 Prozent davon Business und zehn Prozent Sport“, meint Bruckbauer mit einem Augenzwinkern.
Währenddessen entwickelt sich seine Firma weiter. In Niederndorf (Österreich) ist bis Ende 2026 eine eigene Produktion geplant. „Außerdem wollen wir uns ausweiten und die komplette Küche abdecken. Heißt auch Backofen und Kühlschrank anbieten.“ Genaue Zahlen nennt der Geschäftsführer ungern. Widerspricht allerdings auch nicht, wenn von über 100 Millionen Euro Umsatz geredet wird.
Pläne für
die Zukunft
Für Bruckbauer steht aber fest, dass es nicht ewig mit ihm an der Spitze weitergehen wird. „Ich möchte auf gar keinen Fall zu lange in der Firma bleiben.“
Ob dann zum Beispiel einer seiner drei Töchter nachrückt, ist nicht zwingend vorgegeben. „Aber ich möchte meine Firma so aufstellen, dass ich ein bisschen aus der ersten Reihe raus könnte“, sagt Bruckbauer. Dann könnte es sein, dass man ihn noch öfter das Sudelfeld hinaufradeln sieht.