Digitaler Bestatter hilft gegen Bürokratie

von Redaktion

Der Tod ist für jeden Menschen unausweichlich. Was danach kommt, war für Angehörige bisher auch ein bürokratischer Ausnahmezustand. Eine Rosenheimer Firma möchte das ändern und entwickelte eine Software für Bestatter. Was dahintersteckt und wie die Bestattung einfacher werden soll.

Rosenheim – Viele Gespräche, jede Menge offener Fragen und unzählige Formulare – ein organisatorischer Ausnahmezustand, mit dem sich jeder bei der Beerdigung eines geliebten Menschen auseinandersetzen muss. In dieser Phase verlassen sich viele auf die Unterstützung eines Bestatters. Doch es gibt ein Problem. „Viele Bestatter können sich kaum noch auf die Betreuung der Hinterbliebenen konzentrieren, weil die administrativen Aufgaben so viel Zeit benötigen“, sagt Stephan Rüttenauer, Geschäftsführer des Rosenheimer Softwareunternehmens Clever One.

Handzettel für
Bestatter noch üblich

Denn der Prozess bis zur Bestattung ist über die Jahre eingestaubt. Ein Beispiel: „Einen neuen Sterbefall trage ich als Bestatter zunächst ins lokale Serversystem ein, telefoniere dann mit einem Fahrer, drucke den Abholschein aus und hoffe, dass der handschriftlich ergänzte Zettel später unbeschädigt zurückkommt“, erklärt der Geschäftsführer. Erst dann werden die Informationen wieder ins System übertragen – doch fehlen häufig noch Bilddokumentationen oder andere wichtige Unterlagen. Solche „Reibungsverluste“ seien in der Branche eher die Regel als die Ausnahme.

Der Wunsch nach einer Veränderung besteht daher schon seit fast zehn Jahren. Schon im Jahr 2016 legten Bestatter Karl Albert Denk und die TMG, eine Beteiligungsgesellschaft mehrerer Bestatter, den Grundstein, der 2021 zur Gründung von Clever One führte. Das Programm soll viele Dinge vereinheitlichen. Vom Termin- und Aufgabenmanagement über digitale Arbeitsaufträge bis zum Kundenportal. Zwei bis drei Stunden pro Sterbefall sollen eingespart werden. Zeit, die der Bestatter den Hinterbliebenen widmen kann. „Die Anwendung zeigt jederzeit die Verfügbarkeit der Mitarbeiter, verschickt Dokumente direkt aufs Smartphone, ermöglicht digitale Unterschriften und erlaubt das Hochladen von Fotos unabhängig vom Standort”, beschreibt Rüttenauer einige Funktionen.

Und auch für die Angehörigen des Verstorbenen soll es einfacher werden. Keine dicken Ordner mehr, die zum Gespräch mit dem Bestatter mitgeschleppt werden müssen und kein Druck, sich zum Beispiel sofort für den Spruch auf der Trauerkarte oder den Blumenkranz am Grab entscheiden zu müssen. „Auch das geht jetzt alles in Ruhe im Online-Portal“, sagt Rüttenauer.

Um die Software weiter zu verbessern, setzt einer der diesjährigen Meggle-Gründerpreis-Gewinner auf eine andere bekannte Rosenheimer Firma: Die „innFactory”. Die IT-Spezialisten sind schon früh in die Entwicklung mit eingestiegen. „Clever One bedient eine Nische, hat aber jede Menge Potenzial”, sagt Geschäftsführer Tobias Jonas. Er und sein Team sind nicht nur der erste Ansprechpartner für die bestehenden Anforderungen, sondern kümmern sich auch um die Weiterentwicklung. „Ich bin mir sicher, dass das System ein Marktführer in der Branche werden kann”, gibt sich Jonas optimistisch.

Bei einem Blick auf das Lizenzmodell fällt auf, dass Preisstruktur und Angebot sich nur für größere Unternehmen rentieren. „Für kleine Betriebe sind wir derzeit weniger passend“, räumt auch Rüttenauer ein. Gemäß der aktuellen Kalkulation lohnt sich die Software bei mindestens 200 Sterbefällen pro Jahr. Die Einrichtung von Clever One kostet knapp 4000 Euro. Hinzu kommen 829 Euro pro Monat, egal für wie viele Aufträge.

Nischenprodukt mit
Marktführerpotenzial

Doch das Modell funktioniert. „Wir haben knapp 200 Kunden und erst kürzlich haben wir mit der Ahorn AG Deutschlands größten Bestatterverbund hinzugewonnen”, sagt der Geschäftsführer. Zum Vergleich: Aktuell gibt es rund 5300 Bestatter in ganz Deutschland.

Gesteuert wird das Projekt aus den Räumen hinter dem Rosenheimer Bestattungsunternehmen Georg Hartl, wo Rüttenauer mit fünf Mitarbeitern an der Weiterentwicklung arbeitet. Konkrete Details verrät er noch nicht, doch ein Schwerpunkt stehe fest: „Wir werden weiter an Schnittstellen arbeiten, damit möglichst viele bestehende Programme unserer Kunden und deren Dienstleister in der Bestatterwelt eingebunden werden können.“ Rein technisch, das bestätigt Entwickler Tobias Jonas, sind dem Bestatterprogramm künftig keine Grenzen gesetzt.

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