Als Mann in einer Frauendomäne

von Redaktion

Er ist der erste Mann an der traditionsreichen Traunsteiner „Winterschui“ Hauswirtschaft: Johannes Eder aus Pittenhart. Warum der Schreiner an dem einsemestrigen Lehrgang rund um Ernährung und Haushaltsführung teilnimmt und welche Vorbehalte es noch immer gibt.

Traunstein – Lange hat es gedauert! Zum ersten Mal lernt derzeit ein Mann an der Traunsteiner „Winterschui“ Hauswirtschaft in Theorie und Praxis. „Wenn ich später einmal Familie habe, bin ich bestens auf alle Aufgaben vorbereitet“, verrät Johannes Eder aus Pittenhart.

Er und 19 weitere angehende Fachkräfte für Ernährung und Haushaltsführung schätzen neben viel theoretischem Input vor allem die praktischen Einheiten des einsemestrigen Lehrgangs. Das ist ein Hauptgrund dafür, warum man sich an der Staatlichen Landwirtschaftsschule Traunstein, Abteilung Hauswirtschaft, stets über regen Zulauf freut.

Das Herzstück:
Die große Lehrküche

„Auf das Kabel aufpassen!“, ist die Stimme einer Studierenden aus einem Brainstorming im Hausarbeitsraum zu hören. „Restwärme nutzen“, fällt einer anderen ein. In dem Zimmer mit mehreren Bügelmaschinen besprechen gerade zehn Frauen mit einer jungen Lehrerin alles Wissenswerte rund ums Bügeln. Die praktischen Unterrichtseinheiten kämen besonders gut an, sagt Schulleiterin Sonja Bergmeier beim „Winterschui“-Rundgang. Der führt weiter durch den Nähraum, den Lehrsaal und einen Raum für Gruppenarbeiten hin zum Herzstück der Einrichtung: Neben dem Speisesaal mit liebevoll gedeckten Tischen liegt die große Lehrküche.

Hier wird schon fleißig gekocht. Heute gibt es Gemüsegratin. Außerdem bereiten die Studierenden einen Salat zu und backen eine Himbeerroulade.

Manche haben zu Hause einen Hof, andere steigen aus einem ganz anderen Beruf in die Hauswirtschaft ein. Zu letzterer Gruppe zählt Nadine Linzmeier aus Übersee. Sie war bisher Industriekauffrau in der Haushaltsgeräteherstellung. „Ich habe meinen Job gekündigt, weil ich beruflich etwas Soziales machen will“, erklärt Linzmeier, als sie einen noch warmen Biskuitrouladenteig mit Himbeermarmelade bestreicht.

Motivation:
Den Horizont erweitern

Ihre Kollegin Veronika Luber aus Schwindeck, die ihr Hobby Kochen zum Beruf machen will, rollt den Teig mit einem gezuckerten Geschirrtuch vorsichtig zu einer Roulade. Fertig! Die beiden freut es und Lehrerin Sieglinde Maier-Stöhr lächelt zufrieden. „Hier lernt man gut kochen und erweitert seinen Horizont. Ich will die Ausbildung für private Zwecke machen“, erzählt nebenan Tina Bachmaier aus Prutting – beim Gratin-Aufschichten. Die „Winterschui“-Studierende arbeitet normalerweise bei einem Landtechnikhändler im Büro.

Manche sind sich
„zu gut“ für Hausarbeit

Am übernächsten Kochfeld macht Johannes Eder gemischten Salat. Er ist der erste männliche Schüler. Schon seine Mutter war Schülerin bei Lehrerin Sieglinde Maier-Stöhr. Auch das hat dazu beigetragen, dass der Schreiner diese Ausbildung absolviert. Der 23-Jährige sagt über seine Motivation: „Wenn ich einmal Familie gründe, will ich eine Zeit lang in Karenz gehen – und daheim dann alles richtig gut machen“, sagt er. Im Berufsleben erlebe er, dass sich mancher Kollege „zu gut“ sei für die Hausarbeit. Er wolle das anders machen.

Keine Ausbildung
nur für Frauen

Da hakt Sonja Bergmeier, seit 2013 im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein (AELF) und seit 2020 Schulleiterin der Hauswirtschaftsschulen Traunstein und Laufen, ein: „Zu uns dürfen auch Männer kommen. Viele glauben aber immer noch, die Ausbildung sei nur für Frauen.“

Die Schule wurde 1923 in Traunstein gegründet. Sie befindet sich seit 1952 im heutigen Dienstgebäude des AELF in der Schnepfenluckstraße.

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