Frankfurt – Es geht um Orientierung, nicht um einen konkreten Plan. Wenn sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag im 41. Stock der Doppeltürme in Frankfurt trifft, erwarten Beobachter einen Hinweis für das weitere Vorgehen in der Geldpolitik, vor allem im Blick auf die seit März 2015 laufenden und bis Ende des Jahres fixierten monatlichen Käufe von Staatsanleihen und Anleihen öffentlicher Unternehmen der Euro-Länder. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Da geht es dann um einzelne Formulierungen von EZB-Präsident Mario Draghi, auf die Volkswirte und Beobachter sehr genau hören werden. „Draghi wird wohl erstmals andeuten, dass die Notenbank 2018 weniger Anleihen kaufen wird als bisher“, sagt Michael Schubert, EZB-Experte der Commerzbank. Aber sie werde sich gleichzeitig ihre Flexibilität bewahren. Klar ist in jedem Fall: Zinserhöhungen sind für die Notenbanker noch lange kein Thema. Dafür ist die Inflation noch zu weit entfernt von ihrer Vorgabe von knapp zwei Prozent.
Draghi hatte auf der letzten Pressekonferenz Mitte Juli deutlich gemacht, dass „im Herbst“ die Diskussion über die Zukunft des Anleihekaufprogramms beginnen werde. Aber offen gelassen, ob dies für die Sitzung Anfang September oder erst Ende Oktober gelte. Derzeit kauft die EZB Monat für Monat Anleihen für 60 Milliarden Euro, bis Jahresende wird sie Anleihen im Wert von fast 2,3 Billionen Euro in ihren Büchern haben. Über diesen Weg will sie die Banken entlasten und die Kreditvergabe ankurbeln, was letztlich die Konjunktur und damit auch die Inflation in Fahrt bringen soll. Mittlerweile wächst auch der Druck im Rat.
In der Sitzung im Juli hatten Mitglieder vor einem „übermäßig langen Hinauszögern“ der Anpassungen gewarnt, weil das auch zu Verwerfungen an den Finanzmärkten führen könnte. Er würde einen Ausstieg zügig gestalten, betont Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Zumal man bei einem Zurückfahren der Anleihekäufe geldpolitisch ja nicht auf die Bremse treten würde. „Wir würden nur nicht ständig mehr Gas geben.“
Commerzbanker Schubert glaubt, dass die EZB ab Januar 2018 das Kaufvolumen auf 40 Milliarden Euro im Monat reduzieren könnte. Was sie frühestens Ende Oktober ankündigen könnte. Eine Erhöhung des Leitzinses – seit März 2016 liegt er bei null Prozent – freilich steht ebenso wenig zur Debatte wie eine Änderung des Minuszinses für Einlagen der Banken bei der EZB. Sie müssen dafür seit März 2016 0,4 Prozent an die Notenbank zahlen.
Draghi und mit ihm die Mehrheit im EZB-Rat werden nur behutsam vorgehen. Der gebürtige Römer, der vergangenen Sonntag 70 wurde und noch bis November 2019 an der Spitze der EZB steht, verweist weiter auf die zu niedrige Inflation. Im August lag sie bei 1,5 Prozent. Ziel der Notenbank sind knapp zwei Prozent. Bei diesem Niveau sieht sie Preisstabilität gewahrt. Der Weg dahin muss nach Ansicht von Draghi nachhaltig erkennbar werden.
Viele Ökonomen kritisieren die EZB seit Monaten. Angesichts der guten Konjunkturlage und der deutlich verbesserten Situation der Banken gebe es keinen Grund mehr für die extrem großzügige Geldpolitik der Notenbank. Viele warnen vor Blasen an den Finanz- und Immobilienmärkten. Andere werfen der EZB vor, sie enteigne die Sparer, weil es keine Zinsen mehr gebe. Andererseits sind die Zinsen für Kredite und Baudarlehen weiter ebenfalls sehr niedrig.
Der EZB kommt derzeit zudem der Euro in die Quere. Er ist in den letzten Wochen und Monaten gegenüber dem Dollar deutlich stärker geworden. 1,19 Dollar kostet er derzeit, Anfang des Jahres waren es noch 1,04 Dollar. Damit werden Exporte in den Dollarraum teurer und Importe günstiger, was wiederum dämpfend auf die Inflation wirkt. Würde sich die EZB von ihrer lockeren Geldpolitik verabschieden, würde das dem Euro möglicherweise weiteren Auftrieb verleihen.
rolf obertreis