Elektromobilität

Nikola – der Last-Tesla aus den USA

von Redaktion

Von Martin Prem

Stuttgart – Die Elektrifizierung des Güterfernverkehrs auf der Straße gilt als ferne Zukunftsvision. Für zu groß halten die meisten Experten die ungelösten Probleme. Doch ein US-Unternehmen will schon 2021 mit einer Zugmaschine mit Elektroantrieb auf den Markt. 1000 PS Leistung und eine Reichweite von knapp 2000 Kilometern, das sind die wichtigsten Daten. Der Name des Unternehmens dürfte auf die Branche herausfordernd wirken: Es heißt Nikola – benannt nach dem Erfinder und Elektropionier Nikola Tesla.

Als größte Herausforderung bei einem solchen Projekt gilt der Energiespeicher. Denn will man die Energie für lange Strecken in Batterien bunkern, wäre kein Platz mehr für Ladung übrig. Aus diesem Grund galt bislang in der Industrie der innerstädtische Lieferverkehr als einziger Ansatzpunkt für die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen. Für dessen vergleichsweise geringe Fahrleistungen scheint das Batterieproblem am ehesten lösbar.

Nikola schlägt sich mit solchen Fragen gar nicht herum. Der Energiespeicher ist ein Drucktank – gefüllt mit reinem Wasserstoff. Der reagiert mit dem Sauerstoff der Luft unter Freisetzung von Energie. Anders als wenn er verbrennt (da heißt das Sauerstoff-Wasserstoffgemisch zu Recht Knallgas), geschieht das in einer Brennstoffzelle, in der bis zu 60 Prozent der chemischen Energie nutzbar sind – in Form von Elektrizität. Die elektrische Energie treibt über eine kompakte Batterie und die Leistungselektronik zwei Elektromotoren an, die die Kraft über die bei Zugmaschinen üblichen vier Zwillingsreifen auf die Straße bringen. Zum Vergleich: Ein Dieselmotor kommt im Idealfall auf einen Wirkungsgrad von 45 Prozent, ein Benziner liegt unter 40 Prozent.

Die Brennstoffzelle ist nicht ganz neu. Sie ist bereits im Pkw-Bereich auf dem Markt – aber die Technik noch weit vom Durchbruch entfernt. Der Teufel liegt im Detail: Wasserstoff ist das leichteste Gas, das es gibt. Es wiegt nur die Hälfte des zweitleichtesten Gases, Helium, und hat nur ein Achtel des Gewichts von Sauerstoff. Um die notwendige Energiemenge platzsparend unterzubringen, muss der Wasserstoff mit einem Druck von mehreren 100 Bar komprimiert oder durch extrem niedrige Temperaturen verflüssigt werden. Das kostet viel Energie und zehrt am Gesamtwirkungsgrad. Außerdem sind entsprechende Behälter notwendig. Und es sind hohe Isolationsverluste zu erwarten. Innerhalb weniger Tage ist nicht genutzter Wasserstoff aus dem Tank spurlos verschwunden. Eine funktionierende Infrastruktur ist damit eine besondere Herausforderung. Bislang gibt es dazu nur Ansätze.

Außerdem kommt es wie bei der elektrischen Energie auf die Erzeugung an. Bislang wird Wasserstoff in Deutschland aus Erdgas gewonnen – wobei CO2 entsteht. Umweltverträglicher als fossiler Treibstoff wäre die Brennstoffzelle nur, wenn man es schafft, den Wasserstoff mit überschüssigem Strom aus Solar- oder Windkraft zu erzeugen. Bei dieser Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Derzeit muss dieser überschüssige Ökostrom billigst ins Ausland verschleudert werden.

Auf beiden Problemfeldern will Nikola zumindest in den USA die Lösung selbst in die Hand nehmen. Das Unternehmen ist dabei, die notwendige Wasserstoff-Infrastruktur mitaufzubauen. Und es will Strom aus Solarparks zur vergleichsweise umweltfreundlichen Elektrolyse nutzen.

Bei einer dritten zu bewältigenden Aufgabe hat das Unternehmen aus dem US-Staat Utah Hilfe aus Deutschland gefunden. Es hat den weltweit größten Autozulieferer Bosch als Partner für den Antriebsstrang gewonnen – von der Brennstoffzelle bis hin zu den beiden Antriebsachsen. „Bosch hat uns mit seiner Hard- und Software die Stärke gegeben, schnell auf den Markt zu kommen“, sagt Nikola-Gründer Trevor Milton.

Dabei steht beiden Unternehmen die wichtigste Etappe noch bevor: die Entwicklung der gesamten Fahrzeugsteuerung. Allerdings rechnen beide Partner damit, das zu schaffen. Und Bosch sieht sich dabei in einer Schlüsselrolle, über die man auch mit anderen Partnern ins Geschäft mit der Elektromobilität kommen will. „Bosch ist wie ein Brutkasten für Lösungen zur Elektromobilität“, sagt der für Nutzfahrzeuge zuständige Vorstand Markus Heyn.

Noch gilt der Diesel im Nutzfahrzeugbereich als noch für Jahrzehnte unersetzbar. Es könnte aber sein, dass die europäische Nutzfahrzeugbranche bald vor ähnlichen Herausforderungen steht wie die heimische Pkw-Industrie, deren Image als Innovationstreiber durch den vor einigen Jahren noch belächelten Newcomer Tesla massiv beschädigt wurde. Sie sollte gewappnet sein.

Artikel 3 von 7