Interview mit Bausparkassen-Chef Franz Wirnhier

„Die LBS hat wieder Boden unter den Füßen“

von Redaktion

Fast sein gesamtes Berufsleben arbeitete Franz Wirnhier mit Bausparverträgen: 1982 startete der Mathematiker seine Karriere bei der LBS Bayern in der Produktentwicklung. Nur kurzzeitig verließ Wirnhier die Landesbausparkasse, als er 1995 für vier Jahre zur BayernLB wechselte. 1999 kehrte Wirnhier zur LBS zurück, 2004 übernahm der die Führung. Zum Jahresende wird sich Wirnhier in den Ruhestand verabschieden. Wir sprachen mit ihm über Exzesse am Immobilienmarkt und den Druck in der Branche angesichts niedriger Zinsen.

-Haben Sie sich einmal angeschaut, wie die Immobilienpreise in Ihrer Amtszeit als Vorstandsvorsitzender gestiegen sind?

Nein, ausgewertet habe ich das nie. Die Frage ist aber interessant. Grob geschätzt dürften die Immobilienpreise in den 14 Jahren im bayerischen Durchschnitt um etwa 50 Prozent gestiegen sein.

-Hat Sie der Preisanstieg überrascht?

Bereits vor zehn Jahren habe ich kritisiert, dass sämtliche Parteien in Deutschland zu wenig für den Neubau getan haben. Viele haben gesagt: Deutschland stirbt aus, wir müssen Abrissprämien für alte Häuser und Wohnungen bezahlen. Wir haben aber schon damals davor gewarnt, dass in Deutschland zu wenig gebaut wird.

-Angefangen haben Sie bei der Landesbausparkasse bereits 1982. Wie war das damals?

Damals hat in meiner Heimatgemeinde im Landkreis Ebersberg ein neugebautes Reihenhaus noch 350 000 Mark gekostet. Inzwischen zahlt man dafür über eine Million Euro. Gebraucht kostet ein Reihenhaus in gutem Zustand dort um die 800 000 Euro. Daran sieht man: Langfristig lohnt sich eine Immobilie im Regelfall. Und das war immer das Schöne an meinem Job: Menschen dabei zu helfen, in die eigenen vier Wände zu kommen. Die Träume vom eigenen Nest zu realisieren, das war meine eigentliche Aufgabe, und das habe ich immer gerne gemacht.

-Jetzt verlassen Sie die LBS mitten in einer Krise. Gewinne gibt es keine mehr, Sie mussten Arbeitsplätze abbauen. Sind Sie froh, den Job hinter sich zu lassen?

Mir fällt es deshalb leicht, jetzt zu gehen, weil die LBS inzwischen wieder festen Boden unter ihren Füßen hat. Vor drei Jahren wäre das anders gewesen: Damals hatte Draghi die Zinsen praktisch abgeschafft, damals wäre es mir schwer gefallen, das Unternehmen zu verlassen und nicht mehr mithelfen zu können, die Folgen dieses heftigen externen Schocks zu bewältigen.

-Was ist damals genau passiert?

Der Absturz der Zinsen hatte die gesamte Bausparbranche schlagartig getroffen. Auf Bundesanleihen gab es zeitweise sogar Negativzinsen. Uns als Bausparkasse hat das deswegen so stark getroffen, weil unsere Verpflichtungen für die Spareinlagenverzinsung langfristig sind. Wir können nicht von heute auf morgen die Zinsen anpassen. Wir mussten heftig reagieren, haben eine Nullzinsstrategie beschlossen, um durch diese Zeit zu kommen.

-Wo stehen Sie aktuell bei Ihrem Umbau?

Wir haben 110 Mitarbeiterkapazitäten abgebaut. Das sind rund 17 Prozent unseres gesamten Personalbestandes.

-Gab es betriebsbedingte Kündigungen?

Nein. Mit Vorruhestandsmodellen, Teilzeitmodellen und der natürlichen Fluktuation ist es uns gelungen, Kündigungen zu vermeiden. Der Umbau ging geräuschlos über die Bühne. Hinbekommen haben wir das aber nur, weil durch gleichzeitige Rationalisierungsmaßnahmen auch Arbeit weggefallen ist. Um ein Beispiel zu nennen: Wir bekommen täglich noch tausende von Briefen von Kunden. Die Bearbeitung der Post läuft inzwischen vollautomatisch ab, alle Briefe werden eingescannt. Sind darunter Formulare, wie beispielsweise ein Auftrag zur Änderung des Lastschrifteinzugs, werden die Daten vollautomatisch im System geändert.

-Um noch mehr Arbeit einzusparen wäre es doch ein logischer Schritt, mit einer anderen Landesbausparkasse zu fusionieren?

Das ist Sache der Eigentümer, also der bayerischen Sparkassen. Rein strategisch muss man sich sicher solche Gedanken machen. Derzeit ist das aber keine Diskussion bei uns. In der Zwischenzeit ist ja auch viel passiert: Als ich 1982 angefangen habe, gab es 15 Landesbausparkassen in Deutschland. Inzwischen gibt es noch acht. Zuletzt kam es 2016 zwischen der LBS Rheinland-Pfalz und der LBS Baden-Württemberg zur Fusion.

-Wie viel Geld hat Ihr Sparprogramm letztlich gebracht?

Insgesamt ist es uns gelungen, eine Ertragslücke von jährlich 100 Millionen Euro zu schließen. Nur ein Drittel davon geht aber auf die Einsparungen bei den Personal- und Sachkosten zurück. Ein weiteres Drittel ist auf Tarifumstellungen bei unseren Verträgen zurückzuführen. Wir verlangen jetzt höhere Gebühren und haben unser Geschäft jenseits von Bausparverträgen ausgebaut, mit Annuitätendarlehen. Und das letzte Drittel haben wir durch Zinsabsenkungen im Bestand unserer Bausparverträge erreicht.

-Was bei vielen Kunden zu Ärger geführt hat, als Sie alte hochverzinste Bausparverträge gekündigt haben.

2014 mussten wir Bauspareinlagen in Höhe von elf Milliarden Euro mit durchschnittlich zwei Prozent verzinsen – während die Zinsen am Kapitalmarkt gleichzeitig auf ein Prozent fielen. Hätten wir nicht gehandelt, hätten wir jeden Monat draufgezahlt. Das war auch rechtlich nicht zu beanstanden. Im Februar dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass diese Kündigungen rechtens waren.

-Hätte der BGH anders entschieden: Wäre die LBS in eine Schieflage geraten?

Das nicht. Aber ein anderes Urteil hätte unseren Umbauplan massiv zurückgeworfen.

-Ist die LBS Bayern durch den Umbau jetzt von der Zinswelt unabhängig geworden?

Wir rechnen mit folgendem Szenario: Wenn der Zins in den kommenden Jahren erst einmal auf diesem niedrigen Niveau bleibt, wird unser Geschäft durch den Umbau trotzdem funktionieren. Selbst wenn die Zinsen noch einmal auf das Niveau des letzten Jahres sinken, haben wir ein tragfähiges Geschäftsmodell. Bis wir Betriebsergebnisse erzielen, wie wir sie früher gewohnt waren, wird es aber noch eine Zeit dauern.

-Drohen am Ende sogar Verluste?

Nein, Verluste wird es keine geben. Wir haben genug Reserven, um auch bei anhaltend sehr niedrigen Zinsen mindestens eine schwarze Null zu erreichen. Wenn die Anpassungen in unserem Produktangebot voll greifen, werden wir bald auch wieder mehr verdienen.

-Das klingt fast so, als müsste Ihr Nachfolger kaum noch etwas machen.

Den Stellenabbau und das Einsparen von Sachkosten haben wir tatsächlich ein Jahr früher abgeschlossen als erwartet. Der Umbau ist aber noch nicht komplett zu Ende. So muss etwa der Abbau der Einlagenverzinsung weitergehen. Hauptsächlich wird es in den kommenden Jahren darum gehen, das Geschäft anzukurbeln und die Digitalisierung voranzutreiben. Die Kunden gehen inzwischen viel seltener in die Filiale. Gleichzeitig gibt es aber einen intensiven Beratungsbedarf bei Baufinanzierungen. Diese Themen wird mein Nachfolger angehen.

-Werden Sie nach Ihrem Abschied zum Jahresende in ein tiefes Loch fallen?

Nein, bestimmt nicht. Ich werde als Außenstehender interessiert verfolgen, was in der Sparkassen-Organisation und in der LBS-Gruppe passiert. Ansonsten freue ich mich darauf, ab Januar immer dann Skifahren gehen zu können, wenn der Schnee gut und das Wetter schön ist. Das ist in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen.

Interview: Corinna Maier, Sebastian Hölzle

Artikel 2 von 3