München – Ein Name mit Symbolkraft: Vier Zylinder standen für die Verbrennungsmotoren der „Neuen Klasse“, mit denen 1962 der Wiederaufstieg von BMW aus der tiefsten Krise des Unternehmens gelang. Vier Zylinder prägten ab 1972 die Konzernzentrale, die im Volksmund schnell Vierzylinder genannt wurde. Weil gestern ein Käufer den 100 000ste elektrischen BMW im laufenden Jahr abholte, bekam der Vierzylinder abends durch eine Lichtshow das Aussehen einer riesigen Batterie. Wir sprachen mit BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter über die Herausforderungen durch den Wandel hin zur Mobilität der Zukunft.
-Sie feiern gerade 100 000 elektrifizierte Fahrzeuge, die Sie in diesem Jahr verkauft haben. Aber alle reden von Tesla. Wo stehen Sie im Wettbewerb?
Wir sehen uns gut positioniert und gehen davon aus, dass wir auch 2018 ein signifikantes Wachstum sehen werden. Immerhin haben wir heute schon das breiteste elektrifizierte Angebot im Markt. Bis 2025 planen wir 25 elektrifizierte Modelle, davon 12 vollelektrische.
-Das bedeutet hohe Investitionen, die Sie als Finanzvorstand bereitstellen müssen.
Insbesondere investieren wir in die fünfte Generation unserer Elektro-Antriebe. Dazu gehören Batteriezellen für eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern, die je nach Ladeleistung schon in unter einer halben Stunde wieder zu 80 Prozent geladen sein können.
-Bisher haben Sie Batteriezellen zugekauft. Nun scheinen Sie immer mehr selber zu machen. Wieso?
Wir bleiben unserer Strategie treu: Mit unserer Batteriezell-Forschung wollen wir die Technologie vollständig beherrschen und bis ins Detail verstehen, welche Potenziale man weiterentwickeln kann. Wir wollen Zulieferern erklären können, welche Leistungen wir für welchen Preis erwarten. Aber wir müssen deswegen nicht alles selber produzieren.
-Es gibt bei anderen Herstellern Bestrebungen, Batteriezellen selbst in Deutschland zu fertigen. Auch bei Ihnen?
Wir haben dazu keine Pläne. Es ist auch noch nicht sicher, welche Technologie sich durchsetzen wird. Deshalb ist unsere interne Forschung so wichtig und wir investieren 200 Millionen Euro in ein Kompetenzzentrum für Zelltechnologie in München. Außerdem fertigen wir Hochvoltspeicher inzwischen nicht nur in Deutschland, sondern auch am Standort Spartanburg und seit Oktober auch in unserem chinesischen Werk Shenyang.
-Wie geht es aus Ihrer Sicht weiter bei der Elektrifizierung?
Die Entwicklung wird in den großen Absatzgebieten unterschiedlich sein. In China ist ein klarer politischer Wille zur Elektrifizierung erkennbar. In den USA haben wir ein Land mit großen Unterschieden, beispielsweise zwischen Kalifornien und Texas. Und in Europa sehen wir unterschiedliche Geschwindigkeiten. In Italien zum Beispiel ist die Elektrifizierung gering. Dafür wuchs dort 2017 der Dieselanteil. Dagegen geht in Norwegen, in Frankreich oder in den Niederlanden der Absatz des i3 nach oben. Aber wir haben speziell die Entscheidungen von Regierungen nicht in der Hand. Daher ist Flexibilität der Schlüssel zum Erfolg. Wir müssen in der Lage sein, auf einem Band alle verschiedenen Antriebsformen abzudecken.
-Die Produktion ist eines. Aber Sie müssen auch die Entwicklungen dreigleisig schultern. Zum einen in Elektromobilität. Und dann auch noch in Diesel- und Benzinmotoren mit steigenden Anforderungen an Effizienz und Abgasreinigung.
Wir müssen alle drei Felder abdecken. Und dazwischen liegt noch der Plugin-Hybrid, der vor allem in Europa eine Rolle spielt. Da werden wir bei der fünften Batterie-Generation eine elektrische Reichweite von bis zu 100 Kilometern sehen. Damit kann man in den Städten rein elektrisch fahren. Man hat aber auch bei fehlender Infrastruktur die Reichweite eines Verbrenners.
-Lohnt es sich da noch, auch in den Dieselmotor zu investieren?
Die CO2-Vorgaben sind ohne Diesel nicht erreichbar. Und unsere Diesel-Fahrzeuge gehören zu den saubersten in der Industrie.
-Aber die Marktanteile gehen zurück.
Wir haben beim Diesel weltweit zwei Prozent verloren – rund 15 000 Fahrzeuge. Das ist kein Erdrutsch. In Europa sind gut sechs von zehn unserer abgesetzten Fahrzeuge Diesel. Das ist ein substanzieller Teil unseres Geschäfts. Von den kleineren Fahrzeugen werden wir im nächsten Jahrzehnt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr jedes mit Dieselmotor anbieten. Doch in größeren wird es auch in zehn Jahren noch Dieselmotoren geben. Wir müssen parallel alles bieten. Wenn wir das nicht tun, wären wir in vielen Märkten nicht mehr im Spiel. Aber wir haben die richtige Strategie für diese Herausforderung.
-Sie müssen ja nicht nur Antriebsalternativen entwickeln, sondern gleichzeitig auch das vernetzte und automatisierte Fahren. Dann kümmern Sie sich auch noch um die Infrastruktur. Schaffen Sie das ohne Gewinneinbruch?
Die Entwicklungsaufwendungen gehen in der Tat nach oben. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres haben wir 700 Millionen Euro mehr in Forschung und Entwicklung investiert als im Vorjahreszeitraum. Und im nächsten Jahr werden wir noch einmal erheblich mehr in die Hand nehmen. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass wir unseren Ergebniskorridor von acht bis zehn Prozent halten können, weil wir in nächster Zeit mit vielen Fahrzeugen in lukrative Segmente kommen: 2018 ist der 5er voll verfügbar. Es kommt der neue X3, der 8er, der M5, der Z4 und dann auch der X7.
-Reicht das schon aus, um den hohen Aufwand zu kompensieren?
Das allein reicht noch nicht. Deswegen optimieren wir auch unser laufendes Geschäft. Wir werden auch in Zukunft Diesel-, Benzin-, Plugin-Hybride oder elektrische Antriebe haben. Aber wir brauchen nicht die gleiche Anzahl an Varian-ten wie heute. Das lässt sich auch bei Lenkrädern machen oder bei Sitzen. Da sinkt unser Aufwand, ohne dass Kunden dadurch einen Nachteil haben. Außerdem gehen wir auch neue Kooperationsformen ein.
-Geben Sie damit nicht zu viele Geheimnisse preis?
Beim Kartendienst Here arbeiten wir mit Wettbewerbern zusammen. Das wäre vor 15 Jahren undenkbar gewesen. Es macht aber heute viel Sinn. Wir alle dürfen bei der Karte, die die Voraussetzung für autonomes Fahren ist, nicht von Dritten abhängig sein. Außerdem haben wir fürs autonome Fahren eine starke Kooperationsgruppe mit Mobileye, Intel, Delphi, Conti und jetzt auch FCA.
-Wie weit sehen Sie sich in diesem Bereich?
In unserem Unterschleißheimer Zentrum (Autonomous Driving Campus) arbeiten bald 2000 Ingenieure – auch von unseren Partnern – an diesem Thema. Wir haben eine Testflotte mit rund 40 Fahrzeugen der Level 3 und 5 auf der Straße. Das sind Autos, die weitgehend oder vollständig ohne Fahrer auskommen könnten. Nicht nur in München, auch in Kalifornien, in Israel und bald auch in Asien. Man muss ja die regionalen Besonderheiten im Verkehr berücksichtigen.
-Werden Sie solche Kooperationen ausbauen?
Es ist gerade aus betriebswirtschaftlichen Gründen wichtig, dass wir uns bei den Ressourcen auf die ganz zentralen Themen fokussieren. Top-Priorität hat für mich beispielsweise die Elektrifizierung. Je weiter man sich von solchen Kernthemen entfernt, desto sinnvoller sind Kooperationen.
-Das alles klingt so, als ob die Entwicklungskosten weiterhin hoch bleiben. Stimmt das?
Wir gehen davon aus, dass wir 2018 einen Spitzenwert haben, der dann wieder runtergeht, aber auch 2019 oberhalb unseres Zielkorridors von 5 bis 5,5 Prozent des Umsatzes liegt.
-Die Anforderungen bleiben hoch. Wie wollen Sie das durchhalten?
Es macht der gesamten Mannschaft viel Spaß. Solche Herausforderungen halten uns auf Höchstleistungsniveau. Wir müssen investieren, lassen aber nicht von unserem Anspruch ab, Jahr für Jahr hervorragende Ergebnisse abzuliefern.
Interview: Martin Prem