bundesverfassungsgericht

Grundsteuer steht auf der Kippe

von Redaktion

von Sönke Möhl

Karlsruhe – Die für Kommunen wichtige Grundsteuer sollte längst auf eine neue Grundlage gestellt werden. Aber die Länder waren sich lange uneinig, der Bundestag ließ eine Vorlage des Bundesrats liegen. Seit gestern befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob die Berechnungsgrundlagen gegen das Grundgesetz verstoßen. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

-Was ist die Grundsteuer?

Eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Unterschieden werden die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Jede Kommune bestimmt aber mit einem Hebesatz die tatsächliche Höhe. Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2016 bei rund 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B spülte etwa 13,3 Milliarden Euro in die Kassen.

-Wie wird die Grundsteuer berechnet?

Grundlage ist der Einheitswert des Objekts. Ein je nach Art des Grundstücks oder Gebäudes unterschiedlicher Anteil des Einheitswertes – zum Beispiel für Wohnungen 3,5 von tausend – ist die Grundsteuermesszahl. Bei einem Einheitswert von 10 000 Euro ergäbe sich ein Grundsteuermessbetrag von 35 Euro. Mit dem Hebesatz der Gemeinde wird die jährlichen Grundsteuer errechnet. Liegt er bei 500 Prozent, beträgt die Steuer im Beispiel 175 Euro.

-Was ist der Einheitswert?

Das ist der Knackpunkt der Prüfung. Zugrunde gelegt werden für die rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland in den westlichen Ländern die Werte aus dem Jahr 1964, in den östlichen aus dem Jahr 1935. Eigentlich sollen die Einheitswerte alle sechs Jahre neu festgestellt werden. Das ist jedoch nicht geschehen. Daher kann es sein, dass in einer Stadt für ein neues Haus eine vielfach höhere Grundsteuer fällig wird als für ein altes Haus in vergleichbarer Lage mit vergleichbarer Größe.

-Was hat das Grundgesetz damit zu tun?

Der Bundesfinanzhof hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung spätestens ab 2009 für verfassungswidrig. Die Richter sehen einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1). Nach einem Beschluss zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht vom 22. April 2014 (II R 16/13) kommt es darauf an, ob es durch den Verzicht auf Hauptfeststellungen zu Wertverzerrungen bei den Einheitswerten innerhalb einer Gemeinde kommt. Die Richter sind überzeugt, dass dies besonders in größeren Städten der Fall ist. Tiefgreifende Veränderungen im Gebäudebestand und auf dem Immobilienmarkt hätten sich nicht in den Einheitswerten niedergeschlagen.

-Was könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Nach den Äußerungen während der gestrigen Verhandlung spricht viel dafür, dass die Einheitswerte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Bundesverfassungsgericht könnte der Steuer komplett die Grundlage entziehen, sodass sie nicht weiter erhoben werden kann. Das wäre aus Sicht fast aller Beteiligten für Städte und Gemeinden eine Katastrophe, da zehn oder mehr Prozent ihrer Steuereinnahmen aus der Grundsteuer stammen. Wahrscheinlicher ist aber, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist gibt, eine verfassungskonforme Regelung zu beschließen, und die bisherige Praxis bis dahin weiterlaufen lässt. Die Bundesländer rechnen aber mit bis zu zehn Jahren Zeitbedarf.

-Welche Folgen hätte eine Reform?

Nach dem Modell der Bundesländer soll es zwar Veränderungen für die einzelnen Steuerzahler geben, das Gesamtaufkommen aber unverändert bleiben. Der Mieterbund und andere Organisationen wünschen sich künftig eine reine Bodensteuer, die Mieter von Wohnungen entlasten und Besitzer von Einzelhäusern oder unbebauten Grundstücken stärker belasten würde. Die Grundsteuer wird in der Regel mit der Nebenkostenabrechnung an Mieter weitergegeben und ist somit quasi ein Teil der Miete.

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