Devisenmarkt

„Die EZB braucht einen schwächeren Euro“

von Redaktion

Der Euro zeigt Stärke – und das sorgt für Gesprächsstoff. An den Devisenmärkten, bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Dort hatte zunächst US-Finanzminister Steven Mnuchin behauptet, ein schwacher Dollar sei „gut, weil dies mit Handel und Chancen zu tun hat“. Womit der Minister meinte, dass ein sinkender Dollarkurs US-Produkte auf dem Weltmarkt billiger macht. Tags darauf erklärte US-Präsident Donald Trump, dass er sich einen starken Dollar wünsche. Da sich die US-Wirtschaft gut entwickle, werde der Dollar stärker und stärker werden. Der Eurokurs bewegte sich auf und ab. Zwischenzeitlich übersprang er die Marke von 1,25 Dollar – zum ersten Mal seit mehr als drei Jahren. Wir sprachen darüber mit dem Chefvolkswirt der IBK Deutsche Industriebank, Klaus Bauknecht.

-Der Euro ist auf einem Höhenflug. Handelt es sich eher um eine Euro-Stärke oder eine Dollar-Schwäche?

Es ist eine Kombination aus beidem. Die letzten Wochen waren aber eher geprägt von einer Euro-Stärke, ausgelöst von Signalen aus der Europäischen Zentralbank, nach denen sie vielleicht schon früher als erwartet die geldpolitische Wende einläutet. Das hat dem Euro Auftrieb gegeben. Auf der anderen Seite gab es den Kommentar von US-Finanzminister Mnuchin, der einen schwächeren Dollar sehen möchte. Das mag den Dollarkurs kurzfristig gedrückt haben.

-Wie sind denn die unterschiedlichen Aussagen, die aus den USA kommen, einzuschätzen? Präsident Trump hat sich ja für einen starken Dollar ausgesprochen.

Die Motivation von Mnuchin ist eindeutig. Ein schwächerer Dollar würde die US-Exporte befördern und den Handel beleben, er brächte also gewisse Wettbewerbsvorteile. Für Trump zählt vielleicht eher, dass eine starke Währung oft als Symbol für eine starke Wirtschaft gesehen wird, was ja nicht abwegig ist. Trump würde einen aufwertenden Dollar wohl als Zeichen für eine erfolgreiche Politik sehen.

-Wie wirkt denn der starke Euro, zum Beispiel im Hinblick auf die Inflationsziele der EZB?

Das ist natürlich absolut kontraproduktiv. Die Globalisierung hat den Wettbewerbsdruck grundsätzlich erhöht. Dieser kann durch eine Abwertung gedämpft werden, was Industrien vor billigen Importen schützt. Eine Aufwertung hingegen erhöht den internationalen Wettbewerbsdruck. Dann steigen auch die Lohnstückkosten nicht so stark, was den Inflationsdruck dämpft. Die EZB braucht für ihr Inflationsziel weiterhin einen relativ schwachen Euro. Gestern haben wir folglich gesehen, dass die EZB schon wieder zurückrudert, was die Ankündigung der geldpolitischen Wende angeht. Sie machte sozusagen einen Schritt zurück, bevor sie überhaupt den ersten Schritt in diese Richtung gegangen wäre.

-Was wäre denn ein verträglicher Euro-Dollar-Kurs?

Ich bin einerseits davon überzeugt, dass wir einen Euro unter Parität – also unter einem Dollar – nicht sehen werden. Weil dann würde man Niveaus erreichen, bei denen die US-Notenbank Fed sich Sorgen machen würde. Nach oben hin ist die Frage: Wo ist die Schmerzgrenze der EZB? Da kann man nur spekulieren. Ich glaube, bei über 1,30 Dollar würde man anfangen, diese Schmerzgrenze zu erreichen. Die EZB gibt ja kein Niveau vor. Sie sagt nur, dass der Wechselkurs eine entscheidende Größe ist. Natürlich! Bei null Prozent Zinsen und einer aufgeblähten Notenbankbilanz ist der Wechselkurs eine der wenigen effektiven Steuerungsgrößen, um die Wirtschaft zu beeinflussen. Dies gilt vor allem für die Eurozone, die eine relative offene Wirtschaftsregion darstellt.

-Das heißt, dass ein nachhaltiger Euro-Aufschwung die ultralockere Geldpolitik verlängert?

Ja. Das ist genau der Punkt. Es wird immer viel diskutiert, wo geht der Euro hin? Ich sage: Die Frage ist, was tut die EZB, wenn der Euro weiter aufwertet? Die Antwort ist, dass sich die geldpolitische Wende in der Eurozone dann noch viel länger hinziehen könnte. Die EZB wird alles tun, um einen Anstieg deutlich über 1,30 Dollar zu verhindern. Devisenmärkte haben die Tendenz, überzureagieren. Da kommt dann ganz schnell die 1,40 ins Visier. Deshalb wird die EZB auch schon früh gegensteuern. Das hat sie ja gestern schon getan. Und zu Recht. Denn die Inflation wird durch den Wechselkurs zu einem nicht eben kleinen Teil beeinflusst.

-Das klingt so, als ob die EZB in einer Falle säße.

Sie sitzt insoweit in der Falle, als sie den Devisenkurs braucht, um ihre Inflationsziele zu erreichen. Würde die Inflation im fünften Jahr des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Euro-Zone endlich einmal anspringen und auf ein normaleres Maß steigen, hätte die EZB einen ganz anderen Handlungsspielraum. Das Anleihenaufkaufprogramm ist weitgehend ausgereizt, die Zinsen sind auf einem Niveau, wo nicht mehr viel zu machen ist. Die einzige Steuerungsgröße ist jetzt der Wechselkurs. Und weil das so entscheidend ist, glaube ich auch nicht, dass der Euro nachhaltig aufwerten wird.

-Und was macht die US-Notenbank?

Das ist die wichtige Frage. Denn am Ende ist es ganz egal, was Trump oder Mnuchin sagen. Entscheidend ist die Geldpolitik in den USA. Ich glaube, es wird heuer drei Zinsschritte nach oben geben. Die US-Wirtschaft läuft gut und hat gerade noch ein Stimulierungspaket in Form der Steuersenkung bekommen. Es gibt absolut keinen Grund, einen schwächeren Dollar herbeizureden. So lange es in den USA gut läuft und die Fed ihre Zinsschritte nach oben macht, bekommt auch die EZB den Spielraum, ihre Geldpolitik umzustellen.

-Je stärker in den USA die Zinsen steigen, umso mehr Handlungsspielraum hat die EZB?

Ja. Und umso besser für die Weltwirtschaft. Denn Zinssteigerungen in den USA bedeuten, dass die US-Wirtschaft vorankommt, das stärkt den Dollar und das hilft der EZB an allen Fronten.

-Hätte sich Draghi gestern anders äußern sollen?

Eines war sicher richtig. Die Märkte hatten eine frühere geldpolitische Wende zu sehr vorweggenommen. Da musste Draghi gegensteuern, um den Euro-Kurs einzufangen. Was ich nicht verstehe, ist, warum er den Äußerungen des US-Finanzministers – natürlich ohne ihn zu nennen – so viel Platz eingeräumt hat in seiner Rede. Damit hat er die Bedeutung dieser Aussage gewürdigt – er hätte sie mal besser ignoriert. Durch seine Betonung hat er jedoch zum Ausdruck gebracht, was für ein heikles Thema das ist. Die Devisenmärkte haben übrigens umgehend genau darauf reagiert: Der Euro hat noch weiter aufgewertet. Das war kein guter Tag für die europäische Geldpolitik.

Interview: Corinna Maier

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