Frankfurt – Wer nach den stärksten Aktienmärkten 2017 sucht, dürfte zu allererst an die US-Börsen denken. Dort kletterte der Aktienindex S&P 500 im vergangenen Jahr immerhin rund 18 Prozent nach oben. Für den ersten Platz reichte das allerdings nicht. Denn die Aktienmärkte der Schwellenländer (Emerging Markets) liefen ihnen klar den Rang ab. Gemessen am MSCI Emerging Market Index und auf Dollarbasis brachten es diese auf ein Plus von über 34 Prozent.
Eine überraschende Entwicklung. Denn zwischen 2010 und 2015 hinkten diese Märkte ihren Pendants aus den Industriestaaten stets hinterher. Rückläufige Rohstoffpreise, hausgemachte Probleme, wie die Staatskrise in Brasilien sowie schwache Wachstumszahlen und Sorgen um Chinas Stabilität führten dazu, dass Investoren ihr Geld aus den Schwellenländern abzogen.
Doch seit 2016 bessern sich die Aussichten für die aufstrebenden Volkswirtschaften. „Dabei halfen das stabile und breite Weltwirtschaftswachstum, eine relativ stabile Entwicklung der Rohstoffpreise und schnelle Zuwächse bei den Firmengewinnen“, sagt Andreas Görler von der Vermögensverwaltung Wellinvest-Pruschke & Kalm GmbH. „Zudem schafften es Brasilien und Russland, dank der sich erholenden Rohstoffpreise aus der Rezession zu kommen“, ergänzt Anlageexperte Hans Heimburger von Gies & Heimburger GmbH. Und noch etwas trug zu der guten Aktienmarktentwicklung bei: „Der Technologiebereich, der im globalen MSCI Emerging Market Index mit rund 28 Prozent gewichtet ist, lief 2017 ebenfalls sehr gut.“
Trotz der höheren Kurse hält Experte Görler die Schwellenländer aber weiter für attraktiv. „Sie sind gegenüber den Industrieländern günstiger bewertet und bieten teils höhere Dividendenrenditen“, sagt er. Doch vor allem spricht das globale Wachstumsumfeld für eine Fortsetzung der Erholung in den Schwellenländern. So geht der IWF davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum in den Emerging Markets von 4,6 Prozent in 2017 auf 4,9 Prozent in diesem Jahr beschleunigen wird. Gleichzeitig wächst der Welthandel, während die Rohstoffpreise laut dem Forschungsinstitut HWWI zuletzt um 7,4 Prozent kletterten, wovon vor allem die krisengeschüttelten Volkswirtschaften Russlands und Brasiliens profitieren.
Dazu kommt, dass etliche dieser Länder nach Ansicht von Gonzalo Pángaro von T. Rowe Price sinnvolle wirtschaftliche und politische Reformen eingeleitet hätten und deshalb stabiler seien, als noch vor einigen Jahren. Doch vor allem könnte der positive wirtschaftliche Rahmen dafür sorgen, dass die Gewinne der Unternehmen aus den Schwellenländern auch in diesem Jahr weiter wachsen. Die Experten von Franklin Templeton gehen davon aus, dass die Firmenerträge kurzfristig um 13,2 Prozent zulegen. Zum Vergleich: In den Industrieländern liegt die erwartete Zuwachsrate nur bei knapp zehn Prozent.
Allerdings gibt es auch Risiken. „Grundsätzlich müssen Anleger bedenken, dass die Infrastruktur dieser Volkswirtschaften noch nicht so stark entwickelt ist, weshalb Anleger mit stärker schwankenden Kursen und Währungen rechnen müssen“, sagt Görler. Zudem werden diese Märkte oft von ausländischen Investoren dominiert, die ihre Gelder auch schnell wieder abziehen. Zudem, so der Experte weiter, erfolge die Verschuldung der Schwellenländer in der Regel in US-Dollar, weshalb ein starker Zinsanstieg in den USA ein Störfaktor sein könnte.
Und schließlich gibt es länderspezifische Risiken. Beispiele dafür seien laut den Anlageexperten von NN Investment Partners (NNIP) die anstehenden Wahlen in Mexiko und in Brasilien, die politischen Turbulenzen in Südafrika oder die überhitzte Wirtschaft in der Türkei.
Während in manchen Schwellenländern also Vorsicht angebracht ist, sind die meisten Experten vor allem für die Region Asien optimistisch. In 2018 soll die Wirtschaft der heranwachsenden asiatischen Volkswirtschaften um 6,5 Prozent wachsen. Sie dürfte damit einmal mehr Zugpferd des globalen Wachstums sein. Dabei richten sich die Blicke immer wieder nach China, der inzwischen zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ein Risiko stellt dort zwar die hohe Verschuldung im Unternehmenssektor dar. Allerdings ist die politische Führung seit Jahren bestrebt, das Wirtschaftsmodell stärker auf die Binnenwirtschaft ausrichten. Und tatsächlich sei es dort in den vergangenen Jahren gelungen, wirtschaftliche Ungleichgewichte abzubauen, zugleich aber die Wirtschaft auf Wachstumskurs zu halten, wie die Experten von NNIP feststellen.
Trotz einzelner länderspezifischer Risiken dürfte sich eine Beimischung von Schwellenländern, die je nach Risikofreude bei fünf bis 20 Prozent liegen sollte, also weiter lohnen. Dabei raten die Experten von Investments von Einzeltiteln jedoch ab. Besser man investiert in ETFs.