Stuttgart/Peking – Wenn schon, dann gleich richtig: Mit fast zehn Prozent auf einmal steigt der chinesische Geely-Konzern beim deutschen Autobauer Daimler ein – und Geely-Gründer Li Shufu ist kein Mann der kleinen Schritte. Aus dem Stand schwingt sich das Firmenimperium des Milliardärs zum größten Einzelaktionär der Schwaben auf. Mit durchaus positiven Folgen, wie Autoexperten meinen. „Geely ist für Daimler fast so etwas wie eine Familie Quandt bei BMW oder Porsche-Piëch bei VW“, sagt Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Für Daimler mit seiner eher kleinteiligen Eigentümerstruktur ist der Geely-Einstieg nichts Alltägliches. Platzhirsch war bislang der Staatsfonds Kuwaits mit knapp sieben Prozent, einen Ankeraktionär wie bei BMW oder VW haben die Stuttgarter nicht.
Das, sagt Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen, sei ein Problem, was die Stabilität und auch den Schutz vor feindlichen Übernahmen angehe. Auf rund 900 000 Aktionäre waren die Daimler-Anteile Ende des vergangenen Jahres verstreut. Neben Kuwait waren nur drei weitere so groß, dass sie die Meldegrenze von drei Prozent überschritten. Daimlers Börsenwert lag zuletzt bei 75 Milliarden Euro, das Paket des Chinesen ist damit 7,3 Milliarden Euro schwer.
„Daimler freut sich, mit Li Shufu einen weiteren langfristig orientierten Investor gewonnen zu haben, der von der Innovationsstärke, der Strategie und dem Zukunftspotenzial von Daimler überzeugt ist“, teilte der Autobauer mit. „Es ist mir eine Ehre“, sagt wiederum Li Shufu – und verspricht, genau das zu sein: ein Partner für Daimler mit langfristigen Zielen. „Wir respektieren und schätzen die Kultur, die Werte und die Corporate Governance der Daimler AG.“
Derzeit geht das Management um Vorstandschef Dieter Zetsche einen großen Konzernumbau an – da sollte der Großaktionär schon mitziehen, wenn es klappen soll. Zetsche und Finanzchef Bodo Uebber schwebt eine Holding vor, unter deren Dach drei separate Unternehmen stehen sollen: eines für Pkws, eines für Lastwagen und Busse, das dritte für Finanzdienstleistungen und Mobilitätsdienste.
„Daimler kennt und schätzt Li Shufu als chinesischen Unternehmer mit besonderer Kompetenz und Zukunftsorientierung, mit dem man den industriellen Wandel konstruktiv diskutieren kann“, heißt es. Man zeigt sich zuversichtlich, dass Li den eingeschlagenen Weg mitgeht.
Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ besuchte der Milliardär bereits gestern die Daimler-Zentrale in Stuttgart. Auch am heutigen Montag werde Li mit mehreren führenden Konzern-Managern sprechen. Am Dienstag seien Gespräche im Kanzleramt in Berlin geplant. Der Besuch des chinesischen Milliardärs in Deutschland sei eine „Charmeoffensive“, schreibt das Blatt, da die Vorbehalte gegen chinesische Investoren in Deutschland groß seien.
In China dagegen gilt Li für viele als ein Idol, weil er durch Fleiß und harte Arbeit zu Reichtum gekommen sei. Allein im vergangenen Jahr hat sich das Vermögen des 54-Jährigen laut US-Magazin „Forbes“ auf 17 Milliarden Dollar mehr als verdreifacht, weil die Aktie von Geely an der Börse zu einem Höhenflug ansetzte.
1981 lieh sich Li Shufu als 18-Jähriger 120 Yuan – heute zwölf Euro – von seinem Vater, einem Reisbauern. Er kaufte eine Kamera und machte mit Fotos erste Geschäfte. Die eigentliche Unternehmer-Karriere von Li begann Mitte der 80er-Jahre, als er mit Freunden eine Fabrik für Kühlschrankteile gründete. Später bauten die jungen Unternehmer Motorräder aus Taiwan nach.
1998 erhielt der „chinesische Henry Ford“, wie Li auch genannt wird, die Lizenz zur Autoherstellung. Unter dem Namen Geely startete er die Produktion. Der Name ist vom chinesischen Wort „jili“ abgeleitet, was „Glück“ oder „glückverheißend“ bedeutet. Während Li Shufu mit Geely der wachsenden chinesischen Mittelklasse seine Autos hochprofitabel verkaufte, konnte er mit seiner Qualität in Europa und den USA aber lange nicht überzeugen. Um dennoch den Einstieg in den ausländischen Markt zu schaffen, kaufte sich Geely 2010 bei Volvo ein. Für die damals in Zahlungsnöten steckenden Schweden war das ein Glücksfall. Dank des verbesserten Zugangs zum chinesischen Markt zogen die Verkäufe kräftig an.
Zuletzt setzte Li Shufu seine Expansion im Ausland mit Übernahmen von London Taxi sowie der britischen Sportwagenmarke Lotus fort. Mit der neuen Marke Lynk will der Geely-Konzernchef ab 2019 zudem den europäischen Automarkt noch stärker in Angriff nehmen.
Bei Daimler habe Geely den Wert einer starken Marke erkannt – und auch, dass man die nicht mal eben aufbauen könne, sagt Autoexperte Diez. Angst, technologisch angezapft und ausgesaugt zu werden, müssten die Autobauer heute nicht mehr haben. „Da hat sich ja gezeigt: Das ist nicht so.“ Mit Material von afp