München – Seit nunmehr zehn Jahren befinde sich die deutsche Steuerpolitik im Dornröschenschlaf, aus dem sie nun äußerst unsanft geweckt worden sei, sagt Clemens Fuest, Chef des Münchner ifo-Instituts. Der Störenfried in der Geschichte heißt Donald Trump. Seiner Steuerreform werde den internationalen Steuerwettbewerb anheizen und die künftige Bundesregierung unter Zugzwang setzen, prognostiziert der ifo-Chef am Dienstag in München vor einem Steuersymposium des bayerischen Handwerkstags. „Die US-Steuerreform wird sich wie ein Erdbeben auf die internationale Besteuerung auswirken.“
Deutschland sollte als Reaktion – wie zahleiche andere Länder – ebenfalls die Steuerlast für Firmen reduzieren, so Fuest. Und zwar in den kommenden Jahren von 30 auf 25 Prozent – nach dem Vorbild Frankreichs. Handelt die künftige Bundesregierung nicht, erwartet der ifo-Chef zwei Effekte: Zum einen würden die Investitionen in Deutschland zurückgehen. International tätige Firmen würden zudem versuchen, Verluste künftig in Deutschland steuerlich geltend zu machen, Gewinne dagegen im Ausland zu versteuern. Senkt Deutschland die Unternehmensteuer, seien die Kosten indes zu vernachlässigen, glaubt Fuest. „Das Steueraufkommen würde nur kurzzeitig zurückgehen, aber nicht dauerhaft“, so der ifo-Chef. „Es dürfte sich um einen einstelligen Milliarden-Betrag handeln.“
Außerdem empfiehlt der Ökonom eine große Steuerreform für Deutschland mit einer Abschaffung der Gewerbesteuer. Diese solle in einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer umgewandelt werden. Auch Änderungen bei der Erbschaftsteuer, die in ihrer jetzigen Form „hochgradig ungerecht“ sei, seien wünschenswert. Eine Steuerquote von acht Prozent, pauschal und ohne Ausnahmen, schlägt Fuest vor.
Auch Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), fordert Änderungen in der Steuerpolitik. Neben der Steuerlast mache den bayerischen Handwerksunternehmen vor allem die Komplexität des Steuersystems zu schaffen, so der BHT-Chef. Die letzte Unternehmensteuerreform in Deutschland liege zehn Jahre zurück. „Entlastung gab es so gut wie keine und wenn, war die Dosis höchstens homöopathisch“, beklagt der Handwerkerchef. Die Abgabenquote für Unternehmen sei seit 2010 kontinuierlich gestiegen. „Es ist dringend Zeit für eine Steuerreform.“
Die Vorschläge aus dem Handwerk: Die kalte Progression bei der Einkommensteuer müsse dauerhaft entschärft, der sogenannte Mittelstandsbauch begradigt und der Solidaritätszuschlag nach dem Ablauf des Solidarpaktes 2019 vollständig abgeschafft werden, erläutert Peteranderl.
Auch die Energie- beziehungsweise Stromsteuer treffe Handwerksbetriebe in besonderem Maße, wie der BHT-Chef an einem Beispiel deutlich macht: Eine Großbäckerei, die in großem Stil Semmeln und Brot backe und einfriere, um die Ware an Supermärkte und Discounter zu liefern, werde von der EEG-Umlage befreit. Der kleine Bäcker in der Nachbarschaft dagegen nicht. „Er ist deshalb am Ende nicht mehr wettbewerbsfähig und muss im schlimmsten Fall den Betrieb schließen“, so Peteranderl. Rückendeckung kommt vom ifo-Chef: „In der Politik heißt es immer, der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Aber es wird nichts für ihn getan.“
manuela dollinger