deutsche bank

Ein Eigengewächs als Hoffnungsträger

von Redaktion

von rolf obertreis

Frankfurt – Außer Insidern, Experten und den Beschäftigten der Deutschen Bank wird der Name Christian Sewing bislang kaum jemandem geläufig sein. Obwohl der 47-Jährige seit rund einem Jahr Vize-Chef des größten deutschen Geldhauses ist – gemeinsam mit Marcus Schenck. Noch-Vorstandschef John Cryan und Aufsichtsratschef Paul Achleitner wollten vorbauen, für die Zeit nach 2020, wenn Cryan nach Auslaufen seines Vertrages die (wieder profitabel) Bank wieder verlassen sollte. Doch davon ist nichts zu sehen. Nun muss Cryan nach drei Verlustjahren, bedingt durch Skandale und Fehler der Vergangenheit, vorzeitig gehen. Und Sewing soll eine Bank übernehmen, die längst noch nicht aus dem Schlamassel raus ist.

Einen Vorteil hat der gelernte Bankkaufmann und Vater von vier Kindern. Eigentlich wollte der Westfale Sportjournalist werden. Aber für die Journalistenschule konnte er sich nicht qualifizieren. Also entschied er sich um und ging schon mit 19 Jahren zur Deutschen Bank in die Filiale in Bielefeld. Er kennt das Institut also wie kaum ein anderer, zumindest das Privatkundengeschäft und das Geschäft mit dem Mittelstand. Ob er den tiefen und notwendigen Einblick in das Investmentbanking hat, ist dagegen fraglich. Sewing hat in Bielefeld und Hamburg studiert. Nur zwischen 2005 und 2007 ist er der Deutschen Bank untreu gewesen. In dieser Zeit saß Sewing im Vorstand der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank. Sonst gab es für ihn nur die Deutsche Bank – mit Führungspositionen in Frankfurt, Singapur, Toronto, Tokio und London. Anfang 2015 zog er schließlich in den Vorstand ein, zunächst für den Bereich Recht, seit Juni 2015 leitet er die Sparte für Privat- und Geschäftskunden mit rund 27 Millionen Kunden.

Vor allem der Abbau von rund 200 Filialen und von rund 4000 Stellen waren Sewings Hauptaufgabe in den letzten eineinhalb Jahren. Die Integration der Postbank – nachdem Verkauf und Börsengang doch wieder abgesagt wurden – kam als Herausforderung dazu. Bewältigt ist sie noch nicht.

Nach außen ist Sewing bislang kaum in Erscheinung getreten. Ein paar Sätze auf der Jahres-Pressekonferenz, im vergangenen Jahr Erläuterungen zur angeblich gut laufenden Integration der Postbank. Mit mehr ist Sewing am Finanzplatz Frankfurt bisher noch nicht aufgefallen. Leute, die mit ihm zu tun haben, bezeichnen ihn als frei von Allüren. Er sei bescheiden, heißt es über den Hobby-Tennisspieler. Er setze auf Inhalte, schrecke vor schwierigen Entscheidungen nicht zurück.

Da wird er als Chef künftig noch mehr gefordert sein als bislang. Die Deutsche Bank steckt immer noch nicht nur im Imagetief. Auch die Geschäfte laufen alles andere als rund. Und Sewing wird sich mit den Investmentbankern herumschlagen müssen. Bei denen, heißt es, habe er einen schwierige Stand.

Wenn er nach der Hauptversammlung Ende Mai – wie geplant – an die Spitze rückt, wird er sich zunächst einmal mit Veränderungen im Vorstand befassen müssen. Cryan wird gehen und mit ihm vermutlich auch Co-Chef Marcus Schenck. Der Investmentbanker, der erst vor wenigen Jahren von der Wall-Street-Bank Goldman Sachs zur Deutschen Bank stieß, wäre schließlich auch gerne auf den Chefsessel gerückt. Doch die Chance dazu ist dahin, vermutlich zum Ärger der gesamten Investmentbank.

Doch wird Sewing die Wende bringen, die Rückbesinnung auf das klassische Bankgeschäft? Ganz so einfach dürfte es nicht werden. Auf dem Heimatmarkt ist die Konkurrenz mit Commerzbank, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken groß. Hinzu kommen erfolgreiche Onlinebanken. Bei der Firmen-Finanzierung machen überdies zahlreiche ausländische Banken den Frankfurtern das Leben schwer.

Artikel 4 von 6