Garching – Niedrige Zinsen haben den Lebensversicherern in den vergangenen Jahren das Geschäft vermasselt. Wir sprachen mit dem neuen Deutschland-Chef der Swiss Life, Jörg Arnold, über die Folgen der Niedrigzinspolitik für die Branche. Arnold führt seit Juli vergangenen Jahres in Garching (Landkreis München) das Deutschland-Geschäft des Schweizer Konzerns. Die Swiss Life ist der größte Lebensversicherer der Schweiz, in Garching beschäftigt das Unternehmen knapp 700 Mitarbeiter.
-Angesichts niedriger Zinsen fragen sich viele, ob die Lebensversicherung überhaupt noch eine Zukunft hat. Wie gehen Sie damit um?
Man muss in diesem Zusammenhang einmal eine andere Frage diskutieren: Was ist überhaupt eine Lebensversicherung? Wegen der niedrigen Zinsen wird die Lebensversicherung stark als Anlageform wahrgenommen, die immer weniger abwirft. Aber eine Lebensversicherung heißt ja nur deswegen so, weil sie das Leben versichert. Ursprünglich ging es bei einer Lebensversicherung nicht um den Aspekt der Geldanlage. Es ging vielmehr um die Sicherheit in einem Fall, in dem die Ernährerin oder der Ernährer einer Familie nicht mehr zur Verfügung steht. Diese Todesfallabsicherung ist in den vergangenen Jahren aber völlig in den Hintergrund getreten.
-Was aber vermutlich auch an den Lebensversicherern selbst liegen dürfte, die ihre Produkte viele Jahre lang als Anlageprodukte beworben haben.
Richtig ist, dass die Lebensversicherer in den 80er- und 90er-Jahren durch den Wettbewerb mit den Banken viel zu sehr auf diese Anlagekarte gesetzt haben. Heute bemühen sie sich wieder, das zurechtzurücken.
-Was ist heute der wichtigste Bestandteil Ihres Geschäftes?
Heute beschäftigt uns vor allem ein Thema: Im Mittelpunkt steht die Arbeitskraftabsicherung. Es geht um die Frage, wo das Einkommen herkommt, wenn ich einmal nicht mehr arbeiten kann. Das zweite Thema, das in der öffentlichen Diskussion immer wieder ausgeblendet wird, ist das Thema des Rentenbezugs. So können Sie im Alter von Ihrem Ersparten nur so lange entspannt leben, bis das Geld aufgebraucht ist. Mit einer Rentenversicherung dagegen erhalten Sie eine lebenslange Rente – egal wie alt Sie werden.
-Wie sieht es mit der klassischen Lebensversicherung mit Garantiezins aus? Wird dieses Produkt überhaupt noch nachgefragt?
Diese klassische Lebensversicherung spielt tatsächlich keine große Rolle mehr. Stattdessen werden heute moderne Produkte vermittelt, bei denen der Kunde sein eingezahltes Geld garantiert zurückbekommt. Damit bleibt mehr Geld übrig, das wir so anlegen können, dass damit eine höhere Rendite erwirtschaftet werden kann.
-Bei steigender Inflation könnte es aber passieren, dass der Kunde am Ende real betrachtet weniger ausgezahlt bekommt, als er eingezahlt hat.
Ja. Es sei denn, man hat einen Inflationsausgleich als Baustein mit im Vertrag.
-Der Kunde geht mit diesen modernen Verträgen, wie Sie diese Produkte nennen, doch ein viel höheres Risiko ein als mit der klassischen Garantieverzinsung.
Das Risiko ist sehr überschaubar – und die mögliche Rendite ist deutlich höher. Wer wirklich ohne Risiko Geld anlegen will, muss deutsche Staatsanleihen kaufen – da liegt der Zehnjahreszins momentan bei 0,55 Prozent pro Jahr. Nach Inflation macht man damit Verlust. Und wie gesagt: Eine Lebensversicherung ist mehr als nur eine Geldanlage. Sie ist eine Todesfallabsicherung und sichert außerdem eine lebenslange Rente.
-Ihre Wettbewerber Ergo und Generali haben versucht, hochverzinste Altverträge aus ihren Lebensversicherungs-Beständen an Investoren zu verkaufen, oft Konzerne aus China. Die Investoren versprechen sich, über spezielle IT-Plattformen, die Altverträge kostengünstiger verwalten zu können als ein traditioneller Versicherer. Gibt es bei Ihnen im Haus ähnliche Überlegungen, sich auf diese Weise von Altverträgen zu trennen?
Ein klares Nein. Für uns ist das Thema eines Verkaufs von Vertrags-Beständen nicht relevant. Ich möchte auch gerne darlegen, was aus fachlicher Sicht dagegen spricht: Unser Geschäft ist sehr kleinteilig. Es ist extrem aufwendig, viele tausend unterschiedliche Verträge auf eine externe technische Plattform zu überführen. Konkret müsste man dabei die Verträge aus dem eigenen EDV-System herausnehmen und in ein neues EDV-System überführen. Bei unseren Bestandsgrößen wäre das ein Zuschussgeschäft, sprich, die Überführung wäre so teuer, dass hier kein Nutzen für uns entstehen würde. Ich glaube aber auch noch nicht – das ist meine ganz persönliche Meinung –, dass eine solche externe Plattform die Verträge ohne Weiteres effizienter verwalten kann als eine Versicherung.
Interview: Sebastian Hölzle