Automobilindustrie

VW: Nutzfahrzeugsparte nach München

von Redaktion

Wolfsburg/München – Vom grundlegenden Umbau beim weltgrößten Autokonzern Volkswagen sind im Lauf der Woche immer mehr Details durchgesickert. Die entscheidende Aufsichtsratssitzung, die heute stattfinden sollte, wurde dann auf gestern vorgezogen. Klar ist nun:

Der bisherige VW-Markenchef Herbert Diess wird neuer Volkswagen-Konzernchef. Damit löst er seinen Amtsvorgänger Matthias Müller ab, wie der VW-Aufsichtsrat am Donnerstagabend beschloss. Müller selbst soll offenbar eine neue Funktion erhalten, sein regulärer Vertrag läuft noch bis zum Jahr 2020. Aufsichtsratskreise begründeten das gegenüber dem „Handelsblatt“ damit, dass die Abfindung genauso hoch sein würde wie der laufende Vertrag. 2017 hatte Müller mehr als 10,1 Millionen Euro eingestrichen.

Daneben beschlossen die Aufseher weitere Personalien: Gunnar Kilian, bisher Generalsekretär im Betriebsrat, wird Personalvorstand und damit Nachfolger von Karlheinz Blessing. Der langjährige Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch, seine Aufgaben wird der Beschaffungsvorstand der Marke, Ralf Brandstätter, kommissarisch übernehmen. Sanz ist seit 2001 Vorstand bei VW und auch Aufsichtsratschef beim Bundesligisten VfL Wolfsburg. Zugleich rückt Porsche-Chef Oliver Blume in den Konzernvorstand auf.

Die einzelnen Marken wollen die Kontrolleure dem Vernehmen nach in mehrere Gruppen aufteilen, um den Konzern insgesamt effizienter zu machen. Für München ist eine der Gruppen künftig von besonderer Bedeutung: Bei den Nutzfahrzeugen der VW-Gruppe steht ein Umzug der Verwaltungszentrale von Braunschweig an den Sitz von MAN in München an. Zu der Sparte gehören Scania und MAN sowie die brasilianische MAN-Tochter MAN Latin America, die überwiegend mittlere bis schwere Nutzfahrzeuge unter der Marke VW anbietet. Ob die leichten VW-Nutzfahrzeuge vom Caddy bis hin zum Crafter ebenfalls dieser Gruppe zugeschlagen werden, ließ sich gestern nicht abschließend sagen.

Die Ausgliederung des Lkw-Geschäfts ist seit Monaten im Gespräch. Die Verlagerung der Sparte von Braunschweig nach München hatte sich abgezeichnet. Einige der Holding-Funktionen sind bereits in München angesiedelt, wo auch die MAN SE ihren Sitz hat. Die SE ist Tochter der Volkswagen Nutzfahrzeugsparte Truck & Bus GmbH und Dachgesellschaft sowohl der Nutzfahrzeugtochter (MAN Truck & Bus) als auch der Maschinenbau-Aktivitäten (MAN Diesel & Turbo). Dass diese unübersichtliche Struktur zügig aufgelöst wird, ist absehbar. Dabei stellt sich die Frage, ob MAN Diesel & Turbo bei den Nutzfahrzeugen bleibt oder an einer anderen Stelle im VW-Konzern angesiedelt wird. Auch ein Verkauf ist theoretisch denkbar, könnte aber am Widerstand der mächtigen Arbeitnehmervertretungen scheitern.

Die Veränderungen stehen auch im Zusammenhang mit einem geplanten Börsengang der Volkswagen Truck & Bus GmbH. Sie soll zunächst in eine deutsche AG und danach in eine europäische Aktiengesellschaft (SE – Societas Europaea) umgewandelt werden, wie der Dax-Konzern am Donnerstagabend ebenfalls mitteilte. Der Aufsichtsrat müsse dem zweiten Schritt aber noch gesondert zustimmen. Im Asien-Geschäft peilt VW eine Partnerschaft mit dem japanischen Lkw-Bauer Hino Motors an, der zum Rivalen Toyota gehört. Beide gaben eine Rahmenvereinbarung bekannt.

Neben den Nutzfahrzeugaktivitäten soll es drei weitere Gruppen im Pkw-Bereich geben: Eingeführt werden die Markengruppen „Volumen“, „Premium“ und „Super Premium“. Laut „Spiegel“ sollen die einzelnen Marken in den vier Gruppen aufgeteilt werden – für die Volumenmodelle VW, Skoda und Seat, die Premiumfahrzeuge mit Audi, die Sportwagen mit Porsche, Bentley, Bugatti und Lamborghini und die Nutzfahrzeuge mit MAN, Scania und den leichten Nutzfahrzeugen.

Die für die Markengruppen verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden übernehmen zusätzlich Konzernführungsaufgaben. Der neue Konzernchef Diess verantwortet demnach die Konzernentwicklung- und Forschung, Audi-Chef Rupert Stadler den Konzernvertrieb und Porsche-Chef Blume die Konzernproduktion.

Den letzten grundlegenden Umbau hatte Volkswagen 2012 vollzogen. Damals hatte der Konzern unter anderem die Allianz seiner Nutzfahrzeug-Geschäfte vertieft, Aktivitäten in China ausgebaut und dutzende Management-Positionen neu besetzt – bei VW selbst, Audi, den leichten Nutzfahrzeugen, Bentley und in anderen Bereichen. mp/dpa

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