München – Wer an Aktienanlage denkt, denkt meist an Kursgewinne. Was viele Anleger aber unterschätzen, ist die Kraft der Dividende. Denn die ist viel bedeutender, als viele glauben. Wer 10 000 Euro in ein Unternehmen investiert, das über zehn Jahre eine Dividende von drei Prozent zahlt, hat über diesen Zeitraum 3000 Euro erwirtschaftet. Oder anders formuliert: Selbst wenn der Kurs der Aktie dann 30 Prozent niedriger steht, hat der Anleger zumindest keinen Verlust gemacht. Zusätzlich kann ein Anleger die Dividende reinvestieren. Das heißt, er kauft für den ausgeschütteten Betrag Aktien nach. So steigt sein Gewinn auf fast 3440 Euro.
Steigert das Unternehmen dann noch seine Ausschüttung jedes Jahr um beispielsweise fünf Prozent, dann ergibt sich nach zehn Jahren ein Betrag von 14 481 Euro. Das ist kein Wunschdenken. Denn es gibt Firmen, denen es gelingt, die Dividende über lange Zeiträume immer wieder zu steigern. Siemens zum Beispiel hat in den vergangenen zehn Jahren die Ausschüttung nie gekürzt und insgesamt sechs Mal erhöht. Im Jahr 2009 betrug diese noch 1,60 Euro, in diesem Jahr sollen es 3,70 Euro sein.
Zahlung steigt bei manchen Jahr für Jahr
Und es gibt sogar Unternehmen, die sogenannten Dividendenaristokraten, die die Ausschüttungen in den vergangenen 25 Jahren jedes Jahr erhöht haben. Dazu zählen vor allem Konzerne aus den USA wie Coca-Cola, Procter and Gamble oder Johnson & Johnson. Auf Firmen zu setzen, die nachhaltig hohe Ausschüttungen vornehmen, ist deshalb nach wie vor eine attraktive Strategie. „Tatsächlich ist es empirisch erwiesen, dass über lange Zeit gleich bleibende oder steigende Ausschüttungen ein Zeichen dafür sind, dass eine Firma sehr sorgfältig mit ihrer Unternehmenskultur umgeht, konservativ und exzellent geführt ist und in der Folge weniger starke Kursschwankungen aufweist“, erklärt Anlageprofi Gerhard Selig von der Gerhard Selig Vermögensstrategien GmbH.
Das beurteilt Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG, ähnlich. „Zwar kann auch die nachhaltigste Dividendenstrategie nicht vor Kursverlusten schützen, aber zumindest werden Anleger damit entschädigt und holen die Verluste über die Ausschüttung im Schnitt schneller wieder auf“, erklärt er.
Dass eine durchdachte Dividendenstrategie Verluste etwas ausgleichen kann, das zeigt auch eine Berechnung von Allianz Global Investors. Zwischen 2007 und 2012 beispielsweise verlor der MSCI Europa sieben Prozent an Wert. Dafür aber lieferte die Dividende einen positiven Beitrag von 3,5 Prozent und sorgte so dafür, dass die Verluste nicht ganz so stark ausfielen. Die reine Kursentwicklung ist also längst nicht alles. Und die Dividenden sind zuletzt zudem gestiegen (siehe Kasten rechts). Und was für Deutschland gilt, gilt auch weltweit. Die 1200 größten Unternehmen werden laut Janus Henderson Investors die Rekorddividende von 1,25 Billionen Dollar an ihre Anteilseigner auszahlen. Dass die Ausschüttungen zuletzt immer höher kletterten, war vor allem der guten Konjunktur geschuldet. Im vergangenen Jahr hat allein diese die Firmengewinne der Dax-Konzerne laut der DZ Bank um über zwölf Prozent steigen lassen. „Der Gesamtgewinn erreichte so 92 Milliarden Euro, womit die Ausschüttung in Höhe von 35 Milliarden Euro rund 40 Prozent davon beträgt“, rechnet Urban vor. Eine seiner Ansicht nach vernünftige Relation. Schließlich bleibt damit noch genug Geld in der Kasse, um in künftiges Wachstum zu investieren.
Dividendenrendite ist nicht alles
Tatsächlich ist es bei einer Dividendenstrategie entscheidend, auf Nachhaltigkeit zu achten. Denn ein Unternehmen, das mehr ausschüttet, als es einnimmt, greift seine Substanz an. Anleger sollten deshalb nicht nur nach der höchsten Dividendenrendite Ausschau halten. Die kann trügerisch sein. So kann eine hohe Dividendenrendite auch daher rühren, dass sich der Aktienkurs schlecht entwickelt hat, wofür es oft triftige Gründe gibt.
Dennoch gilt gerade im aktuellen Umfeld einiges zu beachten. So könnte ein Nachlassen der Konjunktur zu einer Kürzung der Ausschüttungen im kommenden Jahr führen. „Zudem könnten dividendenstarke Aktien unter steigenden Zinsen leiden“, warnt Ali Masarwah, Fondsanalyst bei Morningstar. „Denn viele Anleger betrachten solche Aktien als Ersatz für Anleihen und wenn diese nun in einem Umfeld steigender Zinsen attraktiver werden, könnten gerade die Kurse dividendenstarker Aktien fallen.“
Deshalb sollten Anleger zwei Dinge beachten: „Ein Anleger braucht eine breite Streuung, da Dividenden gewinnabhängig sind und auch reduziert werden oder ausfallen können“, sagt Experte Selig. Privatanleger sollten deshalb besser zu aktiv gemanagten Fonds oder Exchange Traded Funds greifen, statt auf Einzelwerte zu setzen, wenn sie hier keine ausreichende Streuung erzielen können. Und Anleger brauchen einen langen Anlagehorizont. Denn nur langfristig können dividendenstarke Aktien ihren Vorteil, Kursverluste auszugleichen, ausspielen. Wer dies berücksichtigt, kann aber viel Freude an einer Dividendenstrategie haben. „Schließlich zählt diese zu jenen Strategien, die den Index mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent schlagen“, so Urbans Fazit.