Frankfurt – Für wenige Minuten war der unglaubliche Betrag von 28 Milliarden Euro weg. Und das bei der ohnehin weiter im Tief steckenden Deutschen Bank. Zu all den Personalquerelen im Top-Management, dem Wechsel an der Spitze und dem Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern bringt die Finanzagentur Bloomberg einen Vorgang ans Licht, der in der deutschen Finanzszene beispiellos sein dürfte.
Irrtümlich überwiesen Mitarbeiter der Bank kurz vor Ostern im Handel mit Terminpapieren 28 Milliarden Euro auf ein Konto der Terminbörse Eurex. Der Fehler sei aber innerhalb von Minuten bemerkt und behoben worden, sagt ein Sprecher der Deutschen Bank. Er spricht von einem „operationalen“ Fehler. Einen Verlust hat der Vorgang angeblich nicht verursacht. Es seien Schritte eingeleitet worden, damit sich eine solche Panne nicht wiederhole.
Gleichwohl stellt sich die Frage, wie eine Panne in dieser Dimension bei einer Großbank passieren kann. Zumal einem Mitarbeiter der Deutschen Bank 2014 schon einmal ein (Tipp-)Fehler unterlaufen ist und irrtümlich gut fünf Milliarden Euro an einen Hedgefonds überwiesen wurden. Einen Tag später konnte der Fehler korrigiert werden.
Analysten sehen in dem neuerlichen Vorgang Hinweise darauf, dass die Kontrollen bei der Bank nicht angemessen sind. Der Vorfall sei peinlich, die Probleme offenbar sehr groß. Wäre das Geld bei einem insolventen Unternehmen gelandet, wäre das Geld weg, skizziert ein Aktionärsschützer ein mögliches dramatisches Szenario, das die Bank in den Abgrund reißen könnte. Die jetzige Fehlüberweisung von 28 Milliarden Euro ist höher als die aktuelle Börsenbewertung der Deutschen Bank mit rund 24 Milliarden Euro.
Die Deutsche Bank gilt als eine der größten Banken im Geschäft mit Finanzterminprodukten als systemrelevant für das Weltfinanzsystem. Der Internationale Währungsfonds IWF bezeichnete das größte deutsche Geldhaus 2016 als „gefährlichste“ Bank der Welt. Sie scheine unter den global tätigen Banken am stärksten zu systemischen Risiken beizutragen.
Der an Ostern gefeuerte und durch Christian Sewing ersetzte Vorstandschef John Cryan hatte 2015 nach seinem Amtsantritt die Systeme der Bank als „lausig“ bezeichnete. IT-Vorstand Kim Hammonds hatte vor wenigen Wochen gesagt, die Deutsche Bank sei das „dysfunktionalste“ Unternehmen, bei dem sie je gearbeitet habe. Sie muss wegen dieser Äußerung ebenfalls gehen. Sie hatte zuvor darauf verwiesen, dass die mehr als 40 Computersysteme bei der Deutschen Bank mittlerweile auf rund 30 reduziert worden seien.
Die Panne wird nun von der Aufsicht der EZB genau untersucht werden. Zwar sagte eine Sprecherin, zu einzelnen Instituten sage man generell nichts. Klar ist aber, dass eine Bank einen solchen Vorfall der Aufsicht melden muss und die sich die Angelegenheit und die Kontrollen genau anschaut und im Zweifelsfall Verbesserungen verlangt.
Fehlüberweisungen in größerem Stil hatte es in der Vergangenheit unter anderem bei der bundeseigenen Förderbank KfW gegeben. Obwohl die Pleite der US-Investmentbank Lehman schon bekannt war, überwies die KfW 2008 rund 320 Millionen Euro an das US-Institut. Vor gut einem Jahr hatte die KfW fälschlicherweise 7,6 Milliarden Euro an vier Banken transferiert. Das Geld wurde am nächsten Tag zurücküberwiesen. Fehlüberweisungen in einer Größenordnung wie jetzt bei der Deutschen Bank sind laut Experten aber extrem selten. Rolf Obertreis