Interview

„Deutschland ist durch die Target-Salden erpressbar“

von Redaktion

Hans-Werner Sinn, 70, war bis 2016 Präsident des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Bekannt wurde er als Kritiker der Entwicklungen im Euro-Raum.

-Welche Risiken für die Bundesbank sehen Sie in den hohen Target-Forderungen?

Wenn es doch noch Unsicherheit gäbe… Leider ist der Verlust der Target-Forderungen bereits ziemlich sicher. Jede private Firma müsste eine Forderung, die sie nicht fällig stellen kann und über deren Zins der Schuldner selbst bestimmt, in der Bilanz abschreiben. Die Bundesbank darf aber nach anderen Regeln bilanzieren.

-Wie können die Salden wieder gesenkt werden?

Zynisch könnte man sagen: durch Verschenkung. Das plant die GroKo mit ihrer Transferunion. Mit jedem Euro, den Deutschland zur Rettung der Banken und zur Finanzierung der Staaten gen Süden überweist, wird die deutsche Target-Forderung um einen Euro reduziert – vorausgesetzt, man holt sich nicht wieder Überziehungskredite bei der Bundesbank.

-Gibt es keine andere Reformmöglichkeit?

In den USA gibt es 12 Distrikt-Notenbanken, zwischen denen aus ähnlichen Gründen wie in Europa Salden entstehen. Diese Salden wurden bis 1975 jährlich mit Gold getilgt, heute mit verzinslichen Wertpapieren. In Deutschland erhielt die Bundesbank im Bretton-Woods-System für ihre Salden 4000 Tonnen Gold. Für die Salden, die sie Ende 2017 hatte, hätte sie 19 000 Tonnen Gold bekommen.

-Wie sehen Sie die Rolle Deutschlands?

Da es seine Target-Forderungen nicht abschreiben will, obwohl das Geld eigentlich schon weg ist, zieht es Deutschland vor, die Schuldenländer mit immer neuen Krediten, Bürgschaften und auch Transfers zahlungsfähig zu halten. Deutschland ist durch die Target-Salden offenkundig erpressbar, wenn die Salden nicht weiter steigen sollen.

-Wie sehen Sie den Zustand der Euro-Krise?

Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Volkswirtschaften, die durch den Euro in eine inflationäre Kreditblase gerieten, wird nur durch die exzessive Staatsverschuldung, die Nullzinspolitik und das keynesianische Strohfeuer, das dadurch ausgelöst wurde, übertüncht. Das wird kein gutes Ende haben.

Interview: Sebastian Dorn

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