Brüssel – Wegen zu schmutziger Luft in dutzenden Städten hat die EU-Kommission Deutschland und fünf andere EU-Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
-Wieso klagt Brüssel?
Die Einhaltung eines Grenzwertes von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft ist seit 2010 überall in der EU Pflicht. In 66 deutschen Städten gelang dies aber auch 2017 nicht. Zwar hat sich die Luft überall schrittchenweise verbessert, doch sind etwa 20 deutsche Kommunen immer noch sehr weit von den Vorgaben entfernt, allen voran München, Stuttgart und Köln. Die EU-Kommission hat bereits 2015 ein Verfahren eingeleitet, weil Deutschland gegen EU-Recht verstößt. Wenn mehrfaches Ermahnen nicht hilft, ist eine Klage vor dem EuGH der übliche nächste Schritt.
-Hat Deutschland denn nichts unternommen?
Doch, aber die Verbesserung ist sehr langwierig. Zwei Trends sind der Hemmschuh: In den zehn Jahren seit Inkrafttreten der Grenzwerte ist die Zahl der Dieselautos sehr stark gestiegen, weil sie als verbrauchsarm und deshalb klimafreundlich galten. Diese Dieselautos stoßen aber wegen unzulänglicher Tests und Manipulationen im normalen Verkehr weit mehr Schadstoffe aus als angegeben. Die Bundesregierung steuerte 2017 mit dem „Sofortprogramm für saubere Luft“ nach. Beim „Diesel-Gipfel“ im August 2017 versprach die Autoindustrie zudem Softwareupdates für Dieselautos, die die Emissionen um 25 bis 30 Prozent drücken sollen. Die Bundesregierung kam später noch mit weiteren Vorschlägen, darunter ein möglicher Modellversuch mit kostenlosem Nahverkehr. Eine kurzfristige Lösung ist aber auch das nicht. Zudem kommen die Software-Updates für Dieselautos offenbar langsamer voran als gewünscht.
-Warum reicht der EU der deutsche Kurs nicht?
Auf absehbare Zeit dürfte es nicht gelingen, die Grenzwerte einzuhalten, sagte Umweltkommissar Vella. Er argumentiert mit dramatischen Zahlen: 400 000 Menschen stürben jährlich in der EU vorzeitig, weil die Luft zu schmutzig sei. „Die heute vor dem Gerichtshof angeklagten Mitgliedstaaten haben in den zurückliegenden zehn Jahren genügend ,letzte Chancen‘ erhalten, um die Situation zu verbessern“, meinte Vella.
-Welche Folgen hat denn die Klage?
Keine unmittelbaren, denn eine Klage ist ja noch kein Urteil. Verkehrsexperte Dietmar Oeliger vom Umweltverband Nabu sagt aber: „Die Klage wird vor allem den politischen Druck auf Deutschland beziehungsweise die Bundesregierung erhöhen.“ Sie müsste rasch Abhilfe schaffen. Denn letzte Konsequenz könnten Strafgelder sein, falls Deutschland verliert. Bulgarien und Polen haben in ähnlichen Verfahren vor dem EuGH Niederlagen erlitten.
-Wie wahrscheinlich sind Fahrverbote?
Fahrverbote sind eine von zwei Möglichkeiten, kurzfristig die Luft in stark belasteten Innenstädten sauberer zu bekommen. Die andere ist die Nachrüstung von Dieselautos mit Anlagen zur Abgassäuberung. Umweltschützer fordern, lieber die Autoindustrie in die Verantwortung zu nehmen als die Autobesitzer. dpa