Autozulieferer

Rätsel um Schweigen des Grammer-Chefs

von Redaktion

Amberg – Die Absage einer Pressekonferenz 48 Minuten vor Beginn ist ungewöhnlich. Vor allem dann, wenn es um einen deutschen Kfz-Zulieferer geht, der von einem chinesischen Unternehmen übernommen werden soll. Aber genau das ist am Freitag geschehen. Abgesagt hat die Pressekonferenz der Autositzhersteller Grammer aus Amberg in der Oberpfalz. Es seien Fragen zu erwarten gewesen, die man nicht hätte beantworten können, erklärte ein Firmensprecher. Keinesfalls seien Hürden für die geplante Übernahme durch die chinesische Ningbo Jifeng aufgetaucht.

Kritische Fragen waren aber schon absehbar, als Grammer zwei Tage zuvor zum Pressegespräch eingeladen hatte. Und das nicht nur, weil der Aufkauf deutscher Firmen durch chinesische Konzerne von der deutschen Politik misstrauisch beäugt wird.

Warum Grammer-Chef Hartmut Müller die Öffentlichkeit scheut, hat vor allem mit dem unbeliebten Großaktionär Hastor zu tun. Die bosnische Investorenfamilie hatte vergangenes Jahr vergeblich versucht, Müller zu stürzen und Grammer feindlich zu übernehmen. Nun macht die Familie gegen die Übernahme durch Ningbo Jifeng mobil.

Die von den Chinesen gebotenen 61,25 Euro je Grammer-Aktie seien wirtschaftlich unzureichend und mindestens 85, wenn nicht 100 Euro je Aktie angemessen, ließ Hastor wissen. Während die Chinesen den Wert von Grammer als Ganzes auf rund 770 Millionen Euro taxieren, sieht Hastor eine Spanne zwischen 1,0 und 1,25 Milliarden Euro.

Das kann reiner Preispoker seitens der Hastors sein. Denn der Familienclan hält über zwei Investmentfirmen derzeit gut 22 Prozent an Grammer. Gelingt es, den Preis nach oben zu treiben und dann zu verkaufen, hätten sie ein gutes Geschäft gemacht. Andererseits könnte Grammer wirklich unterbewertet, das Interesse der Hastors nicht erloschen und ein Gegenangebot in Vorbereitung sein. Dazu schweigen aber alle Parteien.

Offen bleibt auch die Frage, wie es mit den Beschäftigen nach einer Übernahme durch das chinesische Unternehmen weitergehen soll. Vorstand und Betriebsrat von Grammer stehen zwar hinter dem Vorhaben, eine feindliche Übernahme wäre es also nicht.

Misstrauisch reagierte bislang die IG Metall. Zwar werden Zusagen von Ningbo Jifeng, alle Grammer-Arbeitsplätze siebeneinhalb Jahre lang zu garantieren sowie das Versprechen, kein Know-how abzuziehen, positiv gewertet. Man müsse aber genau beobachten, ob die auch gehalten würden, betont Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler.

Im Fall der Osram-Abspaltung Ledvance hatte ein chinesischer Investor auch viel versprochen. Jetzt schließt Ledvance Werke in Augsburg und Berlin und streicht 1400 Jobs. Im Fall von Grammer und Ningbo Jifeng sorgen auch die unterschiedlichen Größenverhältnisse und ähnliche Produktpaletten für offene Fragen. Beide Unternehmen stellen Kopfstützen, Autositze und Innenraumkomponenten für Autos her. Die Chinesen in einfacherer, die Oberpfälzer in hochwertiger Qualität. Grammer setzt damit 1,8 Milliarden Euro um, der potenzielle chinesische Käufer nur 250 Millionen Euro.

Das führt nicht nur bei Hastor, sondern auch unter Branchenkennern zu der Frage, wie Ningbo Jifeng die Übernahme finanzieren will und ob dahinter nicht doch der chinesische Staat steckt. Die Kfz-Branche zählt zu den Industrien, die in der dortigen Politik ganz oben auf dem Wunschzettel stehen. Andererseits könnten die Chinesen Grammer dabei helfen, im chinesischen Markt besser Fuß zu fassen. Gut ein Viertel der Grammer-Aktien hält Ningbo Jifeng und die dahinter stehende Wang-Familie ohnehin bereits. Auf berechtigte Fragen zu den Plänen werden aber derzeit Antworten verweigert. Thomas Magenheim-Hörmann

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