Ab sofort können in Bayern weitere 800 000 Haushalte mit 100 Megabit statt mit 50 Megabit im Internet surfen – im August sollen darüber hinaus 1,8 Millionen bayerische Haushalte einen 250-Megabit-Zugang bekommen, verspricht die Deutsche Telekom. Genutzt wird dabei die Vectoring-Technik: Die Telekom legt ein Glasfaserkabel zum Verteilerkasten, die letzte Meile bis vor die Haustür legen die Datenpakete über alte Kupferleitungen zurück. Wir sprachen mit Telekom-Chef Tim Höttges darüber, warum die Internet-Leitungen erst jetzt und nicht schon vor Jahren freigeschaltet wurden.
-Herr Höttges, warum läuft der Breitband-Ausbau in Deutschland und Bayern so schleppend?
Schleppend? Wir investieren massiv, in den vergangenen vier Jahren allein in Bayern über drei Milliarden Euro. Aber wir wären noch weiter, wenn uns die Regulierung nicht aufgehalten hätte.
-War die EU oder Deutschland schuld daran?
Unsere Wettbewerber haben in Brüssel eineinhalb Jahre den Verkehr aufgehalten. Dazu muss man wissen: Im ländlichen Raum sind fast alle Gebiete Fördergebiete. Das heißt, in diesen Gebieten war die Vectoring-Technik nicht förderfähig, daher hat dort kein Ausbau stattgefunden. Erst jetzt hat sich die Politik dazu durchgerungen, diese Themen zu unterstützen. Daher geht es jetzt auch auf dem Land schneller voran.
– Die Vectoring-Technik mit Kupferleitungen auf der letzten Meile bleibt eine umstrittene Technologie. Glasfaserleitungen bis vor die Haustüre wären deutlich schneller.
Ich finde diese Diskussion völlig falsch. Hätten wir nur Glasfaser bis zum Haus gebaut, würde die Telekom heute nur 20 Prozent der Kunden mit schnellem Internet versorgen und die ländliche Bevölkerung würde im digitalen Niemandsland leben. Durch die Vectoring-Technik haben inzwischen aber 80 Prozent der Haushalte in Deutschland schnelles Internet, Mitte nächsten Jahres werden es 95 Prozent sein. Hätten wir nicht auf Vectoring gesetzt, hätte das zur digitalen Spaltung in Deutschland geführt. Und dadurch, dass wir das Glasfaserkabel an den grauen Kästen haben, sind wir mit den hohen Bandbreiten bereits heute näher an den Haushalten dran. Im nächsten Schritt können wir Glasfaser bis ans Haus verlegen.
-Trotzdem stellt sich die Frage: Warum geht es in Ländern wie Japan oder Südkorea mit den hohen Bandbreiten so viel schneller? Auch in Ländern wie Dänemark ist die Breitbandversorgung besser als in einigen bayerischen Gemeinden. Was machen diese Länder besser?
Das sind verschiedene Gründe: Mal liegt es daran, dass dort bereits Leerrohre im Boden liegen, und man nicht erst graben muss oder dass man dort nicht einzelne Haushalte anschließt, sondern ganze Gebäudekomplexe. Anderswo tackert man Glasfaser einfach an die Hauswände. Und man darf nicht vergessen: In Schweden haben wir Gebiete auch im ländlichen Raum, wo die Kunden einmalig 2000 Euro pro Anschluss bezahlen müssen. Diese Anschlussgebühr ist momentan in Deutschland keiner bereit zu bezahlen, weswegen sich hier der Staat als Förderer am Breitbandausbau beteiligen muss.
-Ist das nicht auch ein Versagen der Telekom? Die Telekom hat auch in den 90er-Jahren in Deutschland die Straßen aufgerissen und hätte damals Leerrohre verlegen können.
Nein. Da wo das sinnvoll war, haben wir das gemacht, aber nur dort, wo wir auch neue Leitungen verlegt haben, und das war in den seltensten Fällen auf der sogenannten letzten Meile bis zum Haus. In den 90er-Jahren lagen dort bereits Kabel im Boden, es gab also keine Veranlassung, Leerrohre zu verlegen.
-Aber es kann doch nicht nur an fehlenden Leerrohren liegen, dass der Netzausbau in Deutschland so langsam vorangeht?
60 000 km Glasfaser in diesem Jahr finde ich recht kräftig. Und Tiefbaukapazitäten sind in Deutschland begrenzt. Das große Problem ist die Regulierungspolitik. Wir haben in Deutschland folgendes Modell: Wenn die Telekom ihr Netz ausbaut, darf jeder diese Infrastruktur nutzen. Das führt dazu, dass es keinen Investitionsanreiz für Unternehmen wie Vodafone oder 1&1 gibt, eigene Netze aufzubauen. 80 Prozent der Gebiete auf dem Land werden von der Telekom ausgebaut, weil sich dort von unseren Wettbewerbern keiner engagiert. 1&1 und Vodafone haben kein Interesse, hier auszubauen: Die setzen sich hin, warten – und nutzen am Ende unsere Leitungen.
-Lassen Sie uns einmal über den Ausbau von Gigabit-Bandbreiten sprechen, also 1000 Megabit. Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag bis 2025 eine flächendeckende Gigabit-Versorgung in Deutschland. Ist das realistisch?
Ich halte das für sehr ambitioniert, aber das ist gut so. Wir werden unseren Beitrag leisten, pro Jahr werden wir künftig bis zu zwei Millionen Kunden mit Glasfaser bis vor die Haustüre versorgen.
-Wenn man diese Zahl hochrechnet, dürfte sich im Jahr 2025 vermutlich eine Netzabdeckung des Gesamtmarktes von 70 oder 80 Prozent ergeben.
Ich kann nur über unsere Zahlen sprechen. Wir haben bisher als einziger Netzbetreiber eine klare Aussage getroffen. Wir wollen jährlich bis zu zwei Millionen Haushalten einen direkten Glasfaserzugang anbieten. Und das, obwohl unser Marktanteil nur bei 40 Prozent liegt. Die Versorgung mit Glasfaser ist eine Aufgabe aller Netzbetreiber. Die anderen Netzbetreiber haben leider noch keine konkreten, langfristigen Pläne zu ihrem Ausbauplänen veröffentlicht. Was helfen kann, sind Kooperation. Ich kann mir Kooperation mit regionalen Glasfaseranbietern wie M-Net in München vorstellen.
-Aber gerade M-Net ist doch im Großraum München einer Ihrer größten Konkurrenten. Wie soll das gehen?
Ja. Aber auch heute schon nutzen Wettbewerber unsere Infrastruktur, warum soll das nicht auch umgekehrt gehen? Wir können uns vorstellen, unsere Produkte wie Entertainment-Pakete, Internet-Pakete oder Smarthome-Produkte auf der Infrastruktur von M-Net anzubieten.
-Können Sie sich auch vorstellen, M-Net zu kaufen?
Zu möglichen Zukäufen äußere ich mich grundsätzlich nicht. Wenn Sie mich fragen würden, ob ich eine enge Partnerschaft mit M-Net anstrebe, würde ich antworten: Ja, das ist ein Wunschunternehmen, mit dem wir gerne eng zusammenarbeiten würden.
Interview: Sebastian Hölzle