Automobilindustrie

Ära Marchionne endet bei Fiat Chrysler und Ferrari

von Redaktion

Turin – Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne muss die Führung des italienisch-amerikanischen Autobauers aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Nach einer Schulteroperation sei es zu unerwarteten Komplikationen gekommen, die sich in den vergangenen Stunden erheblich verschlechtert hätten, teilte Fiat Chrysler am Wochenende mit. Der 66-Jährige könne auch seine Arbeit als Präsident und Vorstandschef der Tochter Ferrari nicht wieder aufnehmen, hieß es in einer Ferrari-Mitteilung.

Die Führung von Fiat Chrysler übernimmt nun Mike Manley, der seit vielen Jahren zum Top-Management des Autobauers gehört und bisher für die Marke Jeep zuständig war. Neuer Präsident von Ferrari wird John Elkann, Angehöriger der Familie Agnelli und Fiat-Präsident. Zum Ferrari-Chef ernannte der Aufsichtsrat Louis C. Camilleri, der zuvor unter anderem leitende Positionen beim Tabakmulti Philip Morris innehatte.

Bereits seit Freitag kursierten Gerüchte, wonach die Konzernspitzen angesichts des Gesundheitszustands des italienisch-kanadischen Juristen auf der Suche nach einem Nachfolger seien. „Ich bin zutiefst betrübt, von dem Gesundheitszustand von Sergio zu erfahren“, erklärte Elkann nun. „Es ist eine Situation, die ein paar Jahre undenkbar gewesen wäre, und die uns alle mit einem Gefühl von Ungerechtigkeit zurücklässt.“

Marchionne wollte seinen Posten bei Fiat Chrysler eigentlich erst im Jahr 2019 aufgeben, für seine Ämter bei Ferrari waren ähnliche Pläne nicht bekannt.

Marchionne war 2004 an die Fiat-Spitze gerückt, als das Unternehmen kurz vor der Pleite stand. Zehn Jahre später fädelte er die Übernahme des ebenfalls schwer angeschlagenen US-Rivalen Chrysler ein. Seit der Fusion im Herbst 2014 stieg der Wert der Aktie um fast 350 Prozent – und damit so stark wie bei keinem anderen Unternehmen aus der Branche. Als elementares Vermächtnis von Marchionne gilt auch die Fokussierung auf Nischenmarken.

In Marchionnes Zeit bei Fiat Chrysler fielen auch Vorwürfe, wonach der Autobauer ebenfalls bei Abgaswerten betrogen haben soll. Entsprechende Vorwürfe gab es nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Der Hersteller wies dies stets zurück.

Zumindest sein letztes großes Ziel hat Marchionne noch verwirklicht: Fiat Chrysler von den Schulden zu befreien. Der Spitzenmanager verwandelte zwei schwer angeschlagene Unternehmen in einen globalen Spieler in der Automobilindustrie. Sein Ende als Chef des italienisch-amerikanischen Autobauers und der Tochter Ferrari kommt nun früher als erwartet.

Mit Kompromisslosigkeit und teils unkonventionellen Ideen sanierte der heute 66-Jährige den kriselnden Turiner Großkonzern Fiat nach seinem Antritt und richtete ihn neu aus. Er baute die Bürokratie ab und halbierte die Entwicklungszeiten für neue Modelle. Als einer der größten Verdienste des Italo-Kanadiers gilt die Fusion von Fiat und Chrysler. Die prestigeträchtige Marke Ferrari brachte er erfolgreich an die Börse.

Der 1952 in den Abruzzen geborene Marchionne ist für seine markigen Sprüche bekannt. Zu den Abgas-Vorwürfen gegen Fiat sagte er mit Blick auf VW etwa: „Wer uns mit dem deutschen Unternehmen vergleicht, hat etwas Illegales geraucht.“

Marchionne hat in Toronto studiert, vor seiner Zeit bei Fiat arbeitete der Anwalt und Wirtschaftsprüfer bei Verpackungsfirmen. Sein Markenzeichen sind die dunklen Pullover, die er lieber trägt als Anzüge. Erst bei der Verkündung des gelungenen Schuldenabbaus im Juni trug er eine Krawatte, kaum sichtbar. Das hatte er einst versprochen – für den Fall, dass der Schuldenabbau gelingen sollte.  dpa

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