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„Spurwechsel“ in Bayern umstritten

von Redaktion

von manuela dollinger

München – Es gibt abgelehnte Asylbewerber in Deutschland, die Deutsch sprechen, arbeiten und integriert sind. Werden sie abgelehnt, lässt das nicht nur die Betroffenen verzweifeln, sondern auch ihre Arbeitgeber, die in Zeiten von Fachkräftemangel auf Mitarbeiter angewiesen sind. Die Idee eines „Spurwechsels“ soll abgelehnten Asylbewerbern, die hier arbeiten, unter gewissen Voraussetzungen eine Bleibeperspektive ermöglichen (siehe Kasten). Die Mehrheit der Deutschen befürwortet eine solche Regelung laut einer „Bild“-Umfrage. Unter bayerischen Wirtschaftsvertretern ist der „Spurwechsel“ allerdings umstritten. So spricht sich etwa Eberhard Sasse vom Bayerischen Industrie- und Handelskammertag für eine „pragmatische Regelung“ aus, die es abgelehnten Asylbewerbern, die hier arbeiten, ermöglicht, zu bleiben. Wie man eine solche Regelung am Ende nennt, sei zweitrangig, findet Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages.

„Das Handwerk braucht gut ausgebildete Mitarbeiter. Deshalb sprechen wir uns für ein Einwanderungsgesetz auch für qualifizierte Fachkräfte aus. Menschen mit Fluchthintergrund, die sich durch eine Ausbildung oder qualifizierte Beschäftigung im Handwerk und in unserem Wertesystem integrieren, soll ein Bleiberecht eingeräumt werden“, sagt Peteranderl. Ob dies aufgrund eines „Spurwechsels“ erfolge oder auf Basis einer „Stichtagsregelung“, sei erst einmal zweitrangig. „Wichtig ist, dass Menschen, die in unseren Betrieben ausgebildet wurden und ihre Integrationsbereitschaft unter Beweis gestellt haben, bleiben können. Sie werden derzeit als Mitarbeiter im Handwerk dringend gebraucht“, betont Peteranderl.

„Für diejenigen, die schon da sind, sich gut integrieren und auch wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen, sollte es einen pragmatischen Weg geben, als Fachkräfte in Deutschland zu bleiben“, findet Eberhard Sasse. Viele Unternehmen würden bereits Flüchtlinge beschäftigen und würden dieses Engagement angesichts des Fachkräftemangels gerne ausbauen. Dafür bräuchten sie aber Planungssicherheit, weil das Ausbilden, das Anlernen und Integrieren von Flüchtlingen auch eine große Investition sei, so Sasse. „Der sogenannte Spurwechsel muss nicht zwingend ins geplante Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz und darf deshalb nicht zu einem grundsätzlichen Streitpunkt in der aktuellen Debatte werden“, mahnt der BIHK-Präsident an.

Klare Ablehnung kommt dagegen von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). „Wir halten grundsätzlich nichts von einem ,Spurwechsel‘. Die Debatte ist verfehlt, realitätsfern und undurchdacht. Asyl, Flucht und Fachkräftezuwanderung dürfen nicht vermischt werden“, sagt Bertram Brossradt, Hauptgeschäftsführer der vbw. Erfahrungen würden zeigen, dass mit Asylbewerbern das Thema Fachkräftemangel nicht gelöst werden könne. Prioritäre politische Aufgabe sei es jetzt, sich um anerkannte Flüchtlinge, also solche mit Bleiberecht, und um deren Integration in den Arbeitsmarkt zu kümmern, so Brossardt.

Einig ist man sich in der bayerischen Wirtschaft dagegen beim Thema Fachkräftezuwanderung. Eine entsprechende gesetzliche Regelung sei überfällig, heißt es unisono.

Mit Blick auf die Debatte um Spurwechsel schrieb zuletzt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), in einem Gastbeitrag für die „SZ“, Fachkräftezuwanderung einerseits und Flucht und Asyl andererseits seien zwei unterschiedliche Migrationsformen, die nicht vermischt werden sollten. Hüther schloss sich aber der Kritik von Handwerks- und Mittelstandsunternehmen an, die sich gegen Abschiebungen integrierter, arbeitender Flüchtlinge aussprechen. Ein solches Handeln sei weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich sinnvoll und „es widerspricht angesichts der erreichten Einbindung der Menschen humanitären Überlegungen“.

Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt funktioniert in Bayern (nach Zahlen) besser als in den meisten anderen Bundesländern: Auch dank dem 2015 geschlossenen „Pakt für Integration und Arbeit“ zwischen der vbw, den Kammern und der Staatsregierung wurden laut vbw bis heute rund 65 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sowie 8000 Ausbildungsverhältnisse geschaffen. Zum Vergleich: Bundesweit wurden laut Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen Jahren rund 300 000 Flüchtlinge aus den acht Haupt-Asylländern in Arbeit vermittelt.

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