Frankfurt – Steuern und Sozialbeiträge sprudeln dank des Daueraufschwungs kräftig. Der Überschuss von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialkassen stieg im ersten Halbjahr auf den Rekordwert von 48,1 Milliarden Euro. Das weckt Begehrlichkeiten. Die Wirtschaft fordert Entlastungen bei Steuern und Sozialabgaben. Ökonomen mahnen dagegen zur Vorsicht, denn die Risiken für die Exportnation Deutschland sind gestiegen.
„Seit Jahren nimmt sich der Staat einen größeren Anteil der Einkommen von Bürgern und Unternehmen“, kritisiert DIHK-Präsident Eric Schweitzer. „Entlastungen sind sehr gut möglich und dringend nötig.“ Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert weniger Unternehmenssteuern und einen schnellen Abbau des Soli. Ähnlich argumentiert der Arbeitgeberverband BDA.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bringt wenige Wochen vor der Landtagswahl im Freistaat einen schnelleren Abbau des Soli ins Spiel. „Der Staat sollte den Steuerzahlern etwas zurückgeben. Das darf man nicht aus ideologischen Gründen blockieren“, sagte der CSU-Politiker dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Koalition will den Soli ab 2021 schrittweise abschaffen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat jedoch ein ehrgeiziges Ziel: Er will trotz steigender Ausgaben auch 2019 einen Haushalt ohne neue Schulden schaffen. Entsprechend zurückhaltend reagiert sein Ministerium. Der Finanzierungssaldo falle im zweiten Halbjahr regelmäßig schlechter aus, sagte ein Sprecher. Zugleich verwies er auf zusätzliche Zahlungen etwa für Rentenerhöhungen.
Ökonomen mahnen ohnehin zur Vorsicht. „Das deutsche Wachstum bleibt solide, aber die globalen Risiken sind beachtlich“, argumentiert KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Vor allem die von den USA angeheizten Handelskonflikte bereiten Sorge. Eine Verschärfung der Streitigkeiten könnte der Weltwirtschaft schaden. Das könnte das Wachstum der exportorientierten deutschen Wirtschaft dämpfen.
Hinzu kommt: Die Zinsflaute im Euroraum neigt sich allmählich dem Ende zu. Bislang profitiert Europas größte Volkswirtschaft von der vor allem in Deutschland umstrittenen Nullzinspolitik der EZB. Der Staat kann sich dadurch günstiger verschulden. Im zweiten Halbjahr 2019 könnte es jedoch eine erste Zinserhöhung geben. Gerade der Zinsvorteil sei temporärer Natur, mahnt daher das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Langfristig sind die Spielräume für neue Ausgaben begrenzt, und die Priorität sollten hier Maßnahmen haben, die die deutsche Wirtschaft nachhaltig leistungsfähiger machen.“ Statt einmaliger Steuergeschenke sollten die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessert und Geld in Infrastruktur sowie in Bildung und Forschung gesteckt werden.
Auch die Bundesbank gießt Wasser in den Wein. Die Notenbank warnt in ihrem aktuellen Monatsbericht vor langfristigen Risiken für die Staatsfinanzen durch die Rentenpolitik der schwarz-roten Bundesregierung. Die aktuell gute Wirtschaftslage sollte nicht dazu verleiten, steigende Kosten der Rentenpolitik einseitig auf den Bundeshaushalt zu verlagern, mahnen die Experten.
Der IWF empfiehlt, die Überschüsse vor allem für Investitionen in Bildung und die Qualifikation von Arbeitnehmern zu nutzen. Investitionen würden langfristig auch dazu führen, den Außenhandelsüberschuss Deutschlands zu reduzieren. Dieser wird nicht nur von US-Präsident Trump immer wieder scharf kritisiert. Er sorgt auch bei EU-Partnern für Verärgerung.