München – Bisher kannte man das Prinzip von Facebook und Google: Besucht man im Internet eine fremde Website, kann man sich dort oftmals mit dem bereits vorhandenen Facebook- oder Google-Account einloggen. Auf den ersten Blick profitieren dabei alle Beteiligten: Für den Nutzer ist das Prozedere einfach, schließlich spart er sich das Anlegen eines neuen Kundenprofils. Das nutzt auch dem Betreiber der Website, der damit manchen Nutzer zum Bleiben bewegt, der ansonsten entnervt die Seite verlassen würde. Die US-Konzerne freut die Einbindung in die fremden Websites wiederum, weil sie dadurch zusätzliche Daten abgreifen können.
Die persönlichen Daten, die Nutzer mit jedem Anmeldevorgang preisgeben, sind der Knackpunkt, den Datenschützer immer wieder kritisieren. Zehn deutsche Unternehmen, zu denen auch der Versicherungsriese Allianz sowie der Münchner Sicherheits-Spezialist Giesecke & Devrient zählen, haben sich vor einigen Monaten zusammengetan, um die Datenhoheit von Facebook und Google zu brechen. Sie haben Verimi (ein Kunstwort angelehnt an die englischen Begriffe verify und me – überprüfen und mich) gestartet. Ein Log-in-Dienst, der nach dem gleichen System funktioniert, allerdings mehr Datenschutz und mehr Funktionen verspricht.
Hat man sich erst einmal registriert und seine Daten (auf Wunsch auch Personalausweis und Führerschein) bei dem Dienst hinterlegt, soll man sich über den grünen Verimi-Button bei verschiedenen Websites anmelden können, zum Beispiel, um ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Mietwagen zu buchen.
„Drei wesentliche Punkte unterscheiden uns von der Konkurrenz aus den USA“, erläutert Verimi-Sprecher Tobias Enke. Zum einen hätten Nutzer die volle Kontrolle über ihre Daten. Über Einstellungen auf der Plattform können sie selbst bestimmen, welche Daten welcher Partner erhalten soll. Jeder Auftrag muss einzeln freigegeben werden. „Als eine Art Kontoauszug kann man auf der Plattform immer nachvollziehen, welche Daten an wen herausgegangen sind“, so Enke.
Zweites Unterscheidungsmerkmal: das Log-in-Management von Verimi. Hier kann zum Beispiel festgelegt werden, dass bestimmte Unternehmen niemals Zugriff auf Daten bekommen. Einmal erteilte Genehmigungen können jederzeit widerrufen werden. Außerdem sei das Geschäftsmodell ein völlig anderes als bei Facebook und Google, erklärt Enke. „Facebook und Google verkaufen Daten zu Werbezwecken. Bei Verimi gibt es keinen Datenhandel.“ Die Plattform finanziere sich über die Mitgliedsunternehmen, die Verimi in ihre Websites einbinden. Den Vorteil, den Firmen dabei haben, schildert Enke am Beispiel einer Mietwagenfirma: Statt Kunden jedes Mal nach dem Führerschein zu fragen, könne die Firma auf die bei Verimi hinterlegten Papiere zugreifen. Das vermindere den Aufwand erheblich.
Von den Verimi-Partnern haben die Deutsche Bank und die Bundesdruckerei, die Allianz und die Deutsche Telekom den Dienst mittlerweile eingebunden. Dazu kommen laut Verimi rund ein Dutzend weitere Unternehmen aus der Finanz-, Versicherungs-, Energie- und Gesundheitswirtschaft. In den nächsten Monaten soll der Dienst auch bei den Projektpartnern Springer, der Postbank und bei der Lufthansa mit ihrem Vielfliegerprogramm Miles & More eingebunden werden, heißt es bei Verimi. Das soll Schubkraft bringen.
Wie viele Nutzer Verimi aktuell hat, verraten die Betreiber der Identitätsplattform nicht. Die Reichweite von Verimi steige stetig, heißt es lediglich. „Allein über die Kundenbasis der Gesellschafter wird Verimi bis Ende dieses Jahres potenziell rund 20 Millionen Nutzern zugänglich sein.“ Potenzielle Nutzer sind jedoch keine registrierten Nutzer. Laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital hatten sich bis Mitte Juni lediglich 13 000 Nutzer bei Verimi angemeldet. Die Zeitschrift sprach von einem „Fehlstart“. Auch in Verbindung damit, dass die anfängliche Geschäftsführerin Donata Hopfen bereits kurz nach dem Start des Dienstes ihren Posten abgab. Offiziell war von „unterschiedlichen Auffassungen in der strategischen Führung des Unternehmens“ die Rede.
Enke betont, dass man bewusst einen „leisen Start“ gewählt habe, um zu gewährleisten, dass die Plattform sicher anlaufe. Das sei der Fall gewesen. In einem nächsten Schritt sei nun eine Marketingkampagne geplant, um Verimi bekannt zu machen. Sie soll laut Enke im vierten Quartal des Jahres starten.
Unabhängig von der Zahl der Nutzer wird Verimi stetig weiterentwickelt. So soll es zum Beispiel in den nächsten Wochen die Möglichkeit geben, seine SEPA-Nummer zu hinterlegen und so über Lastschriftverfahren online bei teilnehmenden Diensten zu bezahlen. Außerdem arbeite Verimi gemeinsam mit der Bundesdruckerei daran, Lösungen für den digitalen Zugang zu Behörden zu entwickeln, berichtet Enke. Den Wohnsitz ummelden, einen neuen Reisepass beantragen oder das Auto anmelden: Ist der Zugang zum Bürgerportal der Gemeinde künftig über Verimi möglich, werden die Nutzerzahlen schnell steigen.