San Francisco – Eigentlich war der Kuchen schon verteilt: Wer Mitte der 1990er-Jahre im Internet etwas suchen wollte, hatte es in aller Regel mit drei Großen zu tun: Altavista hieß eine der Suchmaschinen, Yahoo eine zweite, dann gab es mit Lycos noch eine dritte. Daneben viele Kleine. Eine davon hatte damals noch nicht einmal eine Garage als angemessenen Sitz für ein werdendes amerikanisches Hightech-Unternehmen im Silicon Valley – und auch kein Firmenkonto. In ihren Studentenbuden hatten Larry Page und Sergey Brin ihre Software Google entwickelt, die bald die Welt des Internets grundlegend verändern sollte. Das offizielle Gründungsdatum des Unternehmens liegt heute genau 20 Jahre zurück.
Vielleicht hatten die Konkurrenten den Ehrgeiz der beiden Neulinge unterschätzt, der sich schon im Namen zeigte: „Google“, so nannten Page und Brin ihre Entwicklung, ist von Googol abgeleitet. Und das steht für eine unvorstellbar große Zahl, eine 1 mit 100 Nullen. Die Zahl der Protonen im sichtbaren Universum wird auf einen winzigen Bruchteil eines Googol geschätzt.
Google war kein aufwendig gepflegter Web-Katalog wie Yahoo, und auch keine Software, die einfach das weltweite Netz nach Buchstabenkombinationen durchkämmte. Google suchte nicht nur nach Begriffen, sondern auch nach Links, genauer nach der Zahl und der Qualität von Verknüpfungen, die zu einer Seite führen – und lieferte den Suchenden einfach die besseren Ergebnisse. Investoren begannen, sich für die Idee zu interessieren.
Ein Scheck über 100 000 Dollar von Andreas von Bechtolsheim, einem der Gründer des damals bekannten Computerherstellers Sun Microsystems, vom August 1996, konnte nicht eingelöst werden, weil es kein Firmenkonto gab. Dazu mussten Page und Brin Google erst als Unternehmen registrieren lassen. Das geschah am 4. September 1998.
Die Mission: Alle Informationen auf der Welt zu ordnen und für alle zugänglich zu machen. Das Credo, das inzwischen kaum noch Erwähnung findet: „Don’t be evil“ – tu nichts Böses. Als erstes Büro suchten sich Page und Brin standesgemäß eine Garage im Herzen des Silicon Valley. Ihre damalige Vermieterin, Susan Wojcicki, führt heute die Videotochter YouTube.
Page war der erste Firmenchef. Doch den Investoren war nicht wohl dabei, das schnell wachsende Geschäft den beiden noch nicht einmal 30-jährigen Gründern zu überlassen. So wurde 2001 der erfahrene Manager Eric Schmidt als eine Art „Erwachsenenaufsicht“ zu Google geholt. Für zehn Jahre, bevor Page wieder das Steuer übernahm. Schmidt war der Konzernchef – aber die Gründer hatten weitgehend freie Hand. Es war ihre Entscheidung, ein Start-up zu kaufen, mit dem das heute dominierende Smartphone-System Android Teil des Google-Imperiums wurde – das inzwischen Alphabet heißt.
Doch wie scheffelt man mit einer Suchmaschine Milliarden? Genauso ausgefeilt wie der Suchmaschinen-Algorithmus war auch die Google-Idee, wie man damit Geld verdienen kann: Mit kleinen Anzeigen im Umfeld der Treffer, die dazu passen, wonach der Nutzer sucht. Bezahlt werden muss nur, wenn die Werbung auch angeklickt wird, und der genaue Preis wird in einem Auktionsverfahren festgelegt.
Die Such-Anzeigen gelten bei allen neu dazugekommenen Aktivitäten nach wie vor als die Basis des Geschäfts von Google – und auch von Alphabet insgesamt. Im vergangenen Quartal erzielte die Konzernmutter insgesamt einen Umsatz von 32,6 Milliarden Dollar, davon waren gut 28 Milliarden Werbeerlöse von Google.
Neben Android ist seither viel dazugekommen. YouTube, das Videoportal zum Beispiel. Google Maps ist auf Smartphones eine der führenden Navigations-Apps, die auch ein Teil der Software-Basis für das Google Car war, ein Auto, das 2017 erstmals ganz ohne Fahrer unterwegs sein durfte. Die Entwicklung wurde aber eingestellt. Alphabet sucht jetzt die Zusammenarbeit mit klassischen Autoherstellern und hat in diesem Jahr eine Kooperation mit Jaguar Land Rover.
Das einstige Start-up Google gehört heute unter dem Konzernnamen Alphabet neben Apple und Amazon zu den drei wertvollsten Unternehmen der Welt. Und sein Geschäftsmodell ist umstritten. Wie die beiden anderen sitzt Alphabet auf einem Datenbestand, der – bis hin zu Bewegungsprofilen – auch sehr private Details seiner Nutzer umfasst. Und macht sich dadurch – und wegen seiner Marktmacht – angreifbar.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager griff bereits zwei Mal hart durch. 2017 gab es mit dem Vorwurf des unfairen Wettbewerbs bei der Shopping-Suche eine Strafe von 2,4 Milliarden Euro. In diesem Juli folgte die Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro für Googles Gebaren bei Android.
Übrigens: So wirklich konkurrenzlos ist Google nur in Europa. Insbesondere in Deutschland ist Google Marktführer mit 95 Prozent Marktanteil. Weit stärker als in seiner Heimat, den Vereinigten Staaten, wo das Unternehmen auf gut zwei Drittel kommt. Ein starker Konkurrent dort ist Bing, eine Suchmaschine aus dem Microsoft- Imperium. Der Riesenmarkt China wird ohnehin vom politisch genehmen heimischen Anbieter Baidu beherrscht.
Auch Yahoo, Alta Vista oder Lycos gibt es noch – doch nur noch als Attrappe. Wer die Seiten der einstigen Suchmaschinen-Marktführer anklickt, landet bei den Such-Algorithmen von Bing – oder von Google.