München – Es ist nicht nur aus heutiger Sicht eine ungewöhnlich lange Zeitspanne: 23 Jahre stand Eberhard von Kuenheim an der Spitze von BMW. Morgen feiert der Mann, der den Autobauer auf die Überholspur brachte, seinen 90. Geburtstag.
41 Jahre alt war der Maschinenbauingenieur, als ihn BMW-Großaktionär Herbert Quandt nach Stationen in anderen seiner Firmen nach München schickte. Als Chef eines Unternehmens, das sich zehn Jahren nach der tiefsten Krise seiner Geschichte gerade so gefangen hatte. Über 20 Jahre blieb er auf dem Chefsessel und weitere sechs Jahre lang bestimmte er die Geschicke des Unternehmens als Aufsichtsratsvorsitzender mit. Schließlich übergab Kuenheim einen Konzern mit weltweiten Produktionsstandorten, der aber im Kern immer ein bayerisches Unternehmen geblieben war. Und in den Jahren danach verfolgte er aufmerksam die weitere erfolgreiche Entwicklung des Konzerns, die ohne sein Geschick als Manager kaum möglich gewesen wäre. Er war es einerseits, der BMW vom Hersteller sportlicher Limousinen zum Premiumhersteller umbaute, ihn auf Augenhöhe mit Mercedes und schließlich sogar auf die Überholspur brachte. Der Konzern, wie er heute dasteht, ist ohne sein Wirken nicht denkbar.
Dabei ist nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung seinem Wirken zuzurechnen, sondern auch die Unternehmenskultur: Eberhard von Kuenheim hatte nie großspurige und spektakuläre Auftritte nötig. Das spürt man, wenn man ihm – auch noch im hohen Alter – begegnet. Da wirkt einer nicht durch Schein, sondern durch Sein. Das strahlt aus. „Das Wesentliche war, dass Führungskräfte – egal auf welcher Ebene – selbst Vorbild waren in ihrem eigenen Verhalten“, sagte er 2016 im Interview mit unserer Zeitung. Und kein anderer verkörperte diesen Anspruch so sehr wie der Sohn eines ostpreußischen Gutsbesitzers. „Es gab kein Schimpfen“, fügte er hinzu. Und es ist auch schwer, sich Eberhard von Kuenheim schimpfend vorzustellen. Im Gespräch ist er so zurückhaltend leise, dass es manchmal einige Anstrengung verlangt, seinen Worten zu folgen.
Vielleicht war dies auch Teil seines Erfolgsrezepts. Mit leisen Tönen entschärfte er oft in wenigen Stunden Konflikte mit den Arbeitnehmervertretern, an denen andere auch in monatelangen harten Verhandlungen gescheitert waren, weil der Wunsch der Arbeiter nach besseren Arbeitsbedingungen in einem scheinbar unauflöslichen Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmen standen.
Und manche der Kompromisse, die er und seine Emissäre aus der Not heraus mit den Betriebsräten fanden, erwiesen sich später als richtungweisend für die ganze Industrie. Zum Beispiel die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle im Werk Regensburg.
Dabei blieb Kuenheim immer Anwalt des freien Unternehmertums, der sich aber auch der Allgemeinheit verpflichtet fühlt, Er formulierte er folgendermaßen: „Wahrhaftig unternehmerisch heißt für mich, nachhaltig mit gleichzeitigem Nutzen für die jeweilige Organisation und die ganze Gesellschaft.“