München – Erneut haben die Umsätze zugelegt, die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe in Oberbayern sind so voll wie seit Jahren nicht. Der Aufschwung scheint kein Ende zu kennen. Obgleich die Prognosen für die Gesamtwirtschaft mittlerweile auf ein Ende der Hochphase hinweisen. „Das Handwerk folgt der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung immer mit einiger Verzögerung und befindet sich dementsprechend noch in der Hochphase“, erklärt Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern (HWK), dazu in München. Zum einen würden die dicken Auftragspolster in weiten Teilen des Handwerks für Sicherheit sorgen. Zum anderen halte der Bau-Boom – und mit ihm die Hochphase im Handwerk – weiter an. „Ich denke nicht, dass es 2019 nach unten gehen wird, denn im Baubereich bleibt die Nachfrage hoch. Wohnraum fehlt allerorts in den Städten und auf dem Land“, so Peteranderl.
Wie hoch die Nachfrage derzeit ist, zeigt sich am Auftragsbestand der Betriebe. Im Schnitt sind Handwerker in Oberbayern für knapp neun Wochen ausgelastet. Beinah eine Woche mehr als noch im Vorjahr – ein Wert, der in einem dritten Quartal zuletzt 1991 erreicht wurde. Im Bauhauptgewerbe sind es im Schnitt sogar 11,5 Wochen, im Ausbaugewerbe zehn Wochen. Das schlägt sich auch in längeren Wartezeiten für Kunden nieder, räumt Peter-anderl ein. Eine längere Planung sei jedoch durchaus gesund. „Kunden müssen aber davon Abstand nehmen, dass eine Idee in den nächsten drei Monaten umgesetzt wird“, so der HWK-Präsident, der selbst ein Bauunternehmen leitet.
Die Auftragslage in Kombination mit gestiegenen Preisen (vor allem im Baubereich, aber auch in den Lebensmittelhandwerken) sorgte zuletzt für Rekordumsätze. Nach Hochrechnungen der HWK setzten die gut 79 300 Betriebe in München und Oberbayern zwischen Juli und September etwa 10,6 Milliarden Euro um – ein sattes Plus von nominal 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Angesichts des Fachkräftemangels, mit dem zahlreiche Betriebe zu kämpfen haben, scheinen die Grenzen des Wachstums allerdings langsam erreicht. „Die Auslastung der Betriebe ist kaum mehr steigerungsfähig. Stärkeres Wachstum wäre nur noch durch einen kräftigen Beschäftigungsaufbau möglich“, so Peteranderl. Aufgrund des herrschenden Fachkräftemangels sei dies aber nahezu ausgeschlossen.
Laut einer Umfrage unter den Betrieben schafften es zuletzt, 22 Prozent, die Belegschaft aufzustocken. In 15 Prozent der Betriebe ging die Zahl zurück. Noch steht unterm Strich ein Beschäftigungsplus von 0,9 Prozent. In Summe waren Ende September etwa 308 000 Personen im Münchner und oberbayerischen Handwerk tätig.
Doch das könnte sich ändern. Laut Peteranderl werden in den kommenden Jahren zahlreiche erfahrene Fachkräfte die Betriebe verlassen – beschleunigt durch die Rente mit 63. Das wird Löcher reißen, die kaum zu stopfen sind. Allein in der Baubranche wird etwa jede zehnte Stelle verwaist sein, so die Prognose des Handwerkerchefs. Um gegenzusteuern, rührt die Handwerkskammer kräftig die Werbetrommel, um Nachwuchs anzuwerben. Zuletzt hatte das auch Erfolg. Die Zahl der Lehrlinge ist seit Langem wieder gestiegen.