Zahnärzte warnen vor Renditejägern

von Redaktion

Finanzinvestoren legen ihr Geld zunehmend in zahnärztlichen Versorgungszentren an. Die Kassenzahnärzte sehen darin eine gefährliche Entwicklung. Denn die Kapitalgeber seien in erster Linie an der Höhe ihrer Renditen interessiert.

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Wer an die Firma Jacobs denkt, der denkt an Kaffeeduft, an die Jacobs-Krönung. An Zahnkronen und den Geschmack von Fluorid denkt er wohl eher weniger. Doch beides trifft zu. Denn der Röst-Riese mischt über seine Investment-Holding unter der Marke „Colosseum Dental Group“ auch auf dem deutschen Zahnarztmarkt kräftig mit. Und damit ist das Unternehmen nicht alleine. Deutschlandweit haben Finanzinvestoren die Zahnarzt-Branche für sich entdeckt. „Das war vor Jahren noch undenkbar“, sagt Christian Berger, Vorstandschef der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB).

Was ist also passiert? Am Anfang stand die Einführung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Jahr 2004. Mindestens zwei Mediziner arbeiten dabei unter einem Dach – als Vertragsärzte, aber auch als Angestellte. Ein Modell, das durchaus dem Zeitgeist entspricht, hat Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) festgestellt. „Immer mehr wollen zwar im Arztberuf tätig sein, aber nicht als Unternehmer allein in eigener Praxis“, sagt Huml unserer Zeitung.

Allerdings fühlen sich seit einer Gesetzesänderung 2015, mit der auch MVZ mit nur einer einzigen Fachrichtung erlaubt wurden, nicht nur junge Ärzte und Zahnärzte in den Versorgungszentren wohl, sondern zunehmend auch Investoren. Das bayerische Gesundheitsministerium stellt fest, dass insbesondere bei zahnärztlichen MVZ „ein immer stärker werdender Einfluss“ von rein profitorientierten Trägergesellschaften beklagt werde. Reine Zahnarzt-Häuser scheinen attraktive Anlagemöglichkeiten zu sein. „Auch wegen der schwierigen Zinssituation kaufen sich immer mehr Investoren ein, um ihr Geld zu parken“, sagt Berger.

Das Problem: In diesen Häusern stünden ökonomische Interessen oft weit stärker im Vordergrund als beim „Zahnarzt des Vertrauens“, sagt Berger. „Dahinter stehen Kapitalgeber. Da muss vor allem das Geschäft bestmöglich laufen.“ Das könne dann auch der Patient zu spüren bekommen. Etwa durch ständig wechselnde Behandler oder durch standardisierte Behandlungen.

Auch dem Auftrag, die ländlichen Versorgungsgebiete zu stärken, sind die Investoren nicht verpflichtet. Zwar bauten sie ihre Marktmacht durch Zukäufe immer weiter aus, „sie konzentrieren sich in ihrem schnellen Wachstum aber vor allem auf die Städte“, sagt Berger.

Daniel Wichels, der Geschäftsführer der großen Zahnarztkette „Zahneins“ weist den Vorwurf zurück, die Versorgungszentren beschränkten sich vor allem auf Ballungsräume. „Viele unserer Standorte befinden sich in ländlichen Regionen“, sagte er jüngst der Deutschen Presse-Agentur. Interne Zahnärzte-Auswertungen besagen allerdings, dass sich Ende März 2018 tatsächlich rund 79 Prozent der MVZ in städtischen Gebieten befanden.

Gegensteuern kann die KZVB nicht, weil die Bedarfsplanung bei Zahnärzten keine Feststellung von Überversorgung beinhaltet, und damit auch keine Niederlassungsbeschränkungen. Zahnärzte – also auch reine Zahnarzt-MVZ – können deshalb unabhängig von der Versorgungssituation zugelassen werden, bestätigt das Gesundheitsministerium.

Von der Politik fordert KZVB-Chef Berger nun strengere Regeln, wer überhaupt ein MVZ gründen darf. Zwar muss eine solche Einrichtung auch heute schon ärztlich geleitet sein. Doch dieser Leiter kann laut Ministerium auch ein angestellter Mediziner sein. „Eine Großkanzlei darf aber beispielsweise nur von Rechtsanwälten gegründet und geführt werden. Und die Gewinne dürfen auch nicht an Dritte abgeführt werden“, gibt Berger zu bedenken. Zudem hofft der Zahnärzte-Vorsitzende, dass die regionale Ausdehnung der Versorgungszentren beschränkt wird.

In der Politik scheint das Thema gerade anzukommen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll jüngst angekündigt haben, dass er erwäge, die Versorgungszentren gesetzlich vor Kapital-Interessen zu schützen. Das empfiehlt – auf bayerischen Antrag – auch der Gesundheitsausschuss des Bundesrats. Ein MVZ-Träger sollte im jeweiligen Bezirk seinen Sitz haben müssen, schlägt das Gremium vor. Zudem soll der Versorgungsanteil in einer Fachrichtung 25 Prozent nicht überschreiten. Am Freitag stimmt das Plenum im Bundesrat über den Vorschlag ab.

Artikel 4 von 7