München – Eigentlich heißt es Wasserstraße. Doch an vielen Stellen können Fußgänger seit Wochen trockenen Fußes über Seitenarme des Rheines lustwandeln, weil der Pegelstand durch die lange Trockenheit weit abgesunken ist. Und Schiffe können die seicht gewordene Schifffahrtsrinne des Stromes nur noch mit leichter Fracht und nicht mit voller Ladung überwinden. Weil das auch für Binnentanker gilt, verteuert das das Benzin dramatisch, hat gestern das Essener RWI-Institut bestätigt. Und zwar nicht erst in den letzten Wochen. Bereits seit Mai driften Rohölpreis und der Preis von Ölprodukten nach RWI-Erhebungen immer weiter auseinander. Damit widersprechen die Essener Wirtschaftsforscher Aussagen des ADAC, der diesen Zusammenhang angezweifelt hatte, weil der Preisanstieg an den Tankstellen erst im Oktober sichtbar geworden sei.
Der Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI, Manuel Frondel, sagt: „Sobald die Pegelstände der Flüsse wieder deutlich ansteigen und die Lieferengpässe per Schiff beseitigt sind, sollten die Kraftstoffpreise, wie in der Vergangenheit auch, wieder der Entwicklung des Rohölpreises folgen.“
Verständlich ist die ungewöhnliche Entwicklung ohne Weiteres für Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg. Denn für diese Länder ist die wichtigste deutsche Wasserstraße das Versorgungsrückgrat. Bis zu 50 Prozent der Öl-Transporte innerhalb Deutschlands erfolgen durch Binnentanker. Und wenn diese Versorgungsschiffe nur noch halb leer vorwärtskommen, wird der Sprit teurer.
Aber Bayern? In München kostete Super gestern gerade mal einen Cent weniger als in Stuttgart: Rund 1,47 Euro war um 14.30 Uhr der niedrigste Preis für einen Liter E10 in München. Doch im Freistaat kommt ein zweiter preistreibender Effekt dazu: Die Bayernoil-Raffinerie in Vohburg an der Donau ist nach der verheerenden Explosion am 1. September noch immer außer Betrieb. Und noch keiner weiß, wann die Produktion dort wieder anlaufen wird. Damit muss ein Drittel des bayerischen Bedarfs an Ölprodukten zusätzlich eingeführt werden.
Schon unter normalen Umständen importiert Bayern Ölprodukte wie Benzin, Kerosin, Heizöl oder Diesel aus anderen Bundesländern, weil die bayerischen Raffinerien den Bedarf nicht decken können. Jetzt ist es entsprechend mehr. Ein Großteil davon wird von Tanklastern nach Bayern gebracht – zum Großteil aus Karlsruhe. Und weil es vorher rheinaufwärts dorthin gebracht werden musste, spielt auch der Wassermangel im Rhein für Bayern eine preistreibende Rolle. Das Rohöl, dass die bayerischen Raffinerien normalerweise verarbeiten, wäre dagegen unbeeinträchtigt von irgendwelchen Pegelständen über die TAL-Pipeline von Triest über die Alpen gepumpt worden.
Eine Vergleichszahl ist ein weiterer Hinweis, dass das Niedrigwasser Hauptschuldigen am teuren Sprit ist. In Hamburg, wo das Öl auf dem Seeweg ankommt, gab es gestern einen Liter Super E10 bereits ab 1,34 Euro – 13 Cent weniger als in München.
Damit zahlen Autofahrer der Hansestadt sogar noch weniger als grenznahe Bayern, die zum Tanken einfach schnell die Grenze nach Österreich passieren. In Mittenwald kostete der Liter Super E10 gestern mehr als 1,60 Euro, wenige Kilometer weiter im Tiroler Scharnitz war er um 24 Cent billiger.
Nur ein Teil der Differenz lässt sich durch niedrigere Steuern in Österreich erklären. Auch die Versorgungslage in Österreich ist deutlich besser. Der kostbare Rohstoff wird dort im eigenen Land noch in weit größerem Umfang gefördert als in Deutschland. Und weiteres Öl fließt aus Italien oder Slowenien nach Norden. Das größere Angebot wirkt preisdämpfend. Und weil auch das Land Österreich ein Interesse daran hat, dass deutsche Autofahrer über die Grenze zum Tanken fahren und damit für Steuereinnahmen sorgen. Deshalb wird sich daran auch so schnell auch nichts ändern.
Ein kurioses Detail am Rande: Eine Menge des Sprits, den preisbewusste bayerische Auto jenseits der Grenze in den Tank gefüllt haben, ist vorher über bayerische Straßen ins Nachbarland transportiert worden. Wegen langfristiger Verträge wird immer noch Öl aus deutschen Raffinerien nach Österreich geliefert, wie Alexander von Gersdorff vom Mineralölwirtschaftsverband erklärt.
Gäbe es noch eine Möglichkeit, den Mangel an verfügbaren Sprit und damit den hohen Ölpreisen entgegenzuwirken? „Bayern könnte wie andere Bundesländer auch das Sonntagsfahrverbot teilweise aufheben“, sagt von Gersdorff. Damit wären mehr Transporter auf der Straßen möglich. Ob der Effekt einer Lockerung mehr wäre als ein Tropfen auf den heißen Stein, kann aber niemand sagen.