München – Ein Airbus der Schiene sollte es werden, das deutsch-französische Bündnis von Siemens und Alstom in der Bahntechnik. Es gelte, schier übermächtiger Konkurrenz aus China zu begegnen, wo per landesinterner Fusion ein Branchenriese entstanden ist, der doppelt so viel mit Zügen und Signaltechnik umsetzt wie Siemens und Alstom zusammen, warb Siemens-Chef Joe Kaeser für das Projekt. Mangels Weltkartellamt entscheiden darüber aber maßgeblich die Wettbewerbshüter der EU, namentlich Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Was sie an Zugeständnissen für eine Fusion fordert, kann und will das Firmenduo aber nicht leisten.
„Es ist ein unlösbares Problem“, heißt es. Hochrangige Manager stellen sich deshalb auf ein Scheitern der geplanten Firmenehe ein. Offiziell entscheidet die EU zwar erst am 18. Februar. Aber es wirkt, als wären hier zwei Züge unvermeidbar auf Kollisionskurs. „Zugeständnisse wird es nicht mehr geben“, heißt es aus dem Kreis der wohl verhinderten Partner. Ein Scheitern sieht auch die französische Regierung kommen, die deshalb auf die EU schimpft, um noch zu verhindern, was wohl nicht mehr zu verhindern ist. Europa schaffe es nicht, seine Unternehmen und Beschäftigten zu schützen, erklärte ein französischer Regierungssprecher mit Blick auf den weltgrößten Bahntechnikkonzern CRRC aus China.
Aber auch Bundeskartellamt und Wettbewerbshüter aus Großbritannien, Spanien, den Niederlanden, Belgien und Australien haben den Daumen gesenkt. Mit Siemens und Alstom würden die in Europa mächtigsten Bahntechnikhersteller ihre Kräfte bündeln. Daneben gibt es – zumindest derzeit – nur noch die kanadische Bombardier als nennenswerten Wettbewerber. Experten halten es allerdings nur für eine Frage der Zeit, bis CRRC im großen Stil auch in Europa anbietet. „2018 haben die in den USA im Nahverkehr alles abgeräumt – mit extrem aggressiven Preisen“, sagt ein hochrangiger Bahntechnikmanager zu jüngsten Erfolgen von CRRC bei dortigen Ausschreibungen. Auch in Ankara und Russland hätten sich die Chinesen jüngst gegen ihre europäischen Konkurrenten durchgesetzt. „Die Einschläge kommen näher“, stellt der Experte fest.
Genehmigen würde die EU-Kommission eine Fusion nur, wenn Siemens und Alstom ihre brandneue Technologie für Hochgeschwindigkeitszüge auf zehn Jahre exklusiv an Wettbewerber geben. Exklusiv bedeute, Siemens und Alstom dürften in Europa auf ein Jahrzehnt im Hochgeschwindigkeitsbereich die eigene Technik selbst nicht mehr anbieten und müssten sich aus diesem Markt praktisch verabschieden, erklärt ein Experte. Dann rechne sich eine Fusion aber nicht mehr. Außerdem sei ein solches Abtrennen von Hochgeschwindigkeitstechnik schon theoretisch unmöglich. Die aktuelle Siemens-Bahntechnik sei ein Plattformkonzept, das von U- und Straßenbahnen bis zu Hochgeschwindigkeitszügen reiche. Für Letztere gebe es keine eigenen Werke oder getrennte Geschäftsbereiche, die man an Wettbewerber verkaufen könnte. Der TGV als Hochgeschwindigkeitsmodell der Franzosen wiederum fahre ausschließlich in Frankreich, was technologisch bedingt sei. Er wäre somit de facto unverkäuflich. Die EU verlange etwas, das unmöglich ist. T. MAGENHEIM-HÖRMANN