Berlin – Der Wirtschaftsflügel der Union im Bundestag hat vor hohen finanziellen Belastungen infolge des geplanten Kohleausstiegs in Deutschland gewarnt. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier volkswirtschaftlich teuer erkaufte, klimapolitische Symbolpolitik gemacht werden soll“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Joachim Pfeiffer (CDU). Industriepräsident Dieter Kempf sprach von einem schwierigen Ergebnis für den Standort Deutschland – „mit großen Risiken“.
Die von der Regierung eingesetzte Kohlekommission hat ein Konzept für einen Kohleausstieg bis spätestens 2038 vorgelegt. Für die Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg schlägt der Bericht Strukturhilfen von 40 Milliarden Euro vor. Um Aufschläge beim Strompreis zu vermeiden, soll ein Zuschuss von zwei Milliarden Euro jährlich ab 2023 geprüft werden. Der Vorschlag lasse viele Fragen offen, sagte Pfeiffer. „Das genaue Ausmaß der notwendigen Finanzierung für Strukturhilfen, Kompensations- und sonstige Maßnahmen ist ebenso unklar wie die Auswirkungen einer vorzeitigen Abschaltung der Kraftwerke auf die Sicherheit der Energieversorgung und die Strompreise.“
Deutschland werde das Klima nicht mit „immer neuen nationalen Alleingängen“ retten können – sondern nur mit gemeinsamen, abgestimmten Maßnahmen auf europäischer oder globaler Ebene, betonte der CDU-Politiker. Schon heute habe Deutschland für Haushalte und Industrie die höchsten Strompreise in Europa. „Trotzdem würden Bürgern und Unternehmen bei Umsetzung der Kommissionsempfehlungen nochmals erhebliche zusätzliche Lasten aufgebürdet.“ Dies gefährde die Wettbewerbsfähigkeit vieler, gerade stromintensiver Unternehmen, Arbeitsplätze und die Stromversorgungssicherheit.
Damit deuten sich schwierige Verhandlungen über den Kohleausstieg an. Nach der Vorlage des Berichts der Kommission sind nun Bund und Länder am Zug. Die Bundesregierung hat ein „belastbares Energiekonzept“ angekündigt. Am Donnerstag treffen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mit Ministerpräsidenten der betroffenen Länder.
Das Ifo-Institut kritisiert die Kommissionspläne zum Kohleausstieg. Es „besteht die große Gefahr, dass hier mit viel Geld falsche und letzten Endes illusorische Vorstellungen geweckt werden“, sagt der Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz in Dresden. Die Vorschläge zur Nutzung digitaler Techniken passten vielfach nicht zur Wirtschaftsstruktur in den betroffenen Regionen. Bundesmittel zur Sanierung von Schwimmbädern und für den Bau von Radwegen dürften der regionalen Wirtschaftsentwicklung kaum helfen.
Die SPD verteidigte den Kompromiss. Strom aus Kohle als billig darzustellen, verschweige „die unbezahlbaren Kosten des Klimawandels“, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch. Strompreise nun sozial zu gestalten, sei Aufgabe der Politik. Der Wirtschaftsflügel der Union dürfe den Ökostrom-Ausbau nicht länger blockieren. Der Ball liegt jetzt bei der Bundesregierung, die die Vorschläge in mehreren Gesetzen umsetzen soll.
Der Kohlekompromiss dürfte nach Ansicht von EU-Kommissar Günther Oettinger auch die Wettbewerbshüter von der EU-Kommission noch beschäftigen. Es gehe um Fragen von Staatsbeihilfen, sagte der CDU-Politiker. Wenn der deutsche Staat in der Lausitz Strukturförderung betreibe, könnten Stahlwerke in Frankreich oder Belgien eine Prüfung in Brüssel verlangen, ob der faire Wettbewerb verletzt werde. dpa