Nach vier Wochen wird es kritisch

von Redaktion

Notfallpläne von Airbus und BMW für den Brexit – Luftfracht soll Materialnachschub sichern

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Ein Brexit, speziell ein harter, droht ganze Firmennetzwerke vor eine Zerreißprobe zu stellen.

Wenn kein politisches Wunder mehr geschieht, ist es in knapp zwei Monaten so weit. Dann tritt am 29. März der Brexit in Kraft. Das droht über Jahrzehnte gewachsene Firmengeflechte zwischen den Britischen Inseln und der Europäischen Union zu zerreißen. Besonders eng sind diese in zwei Branchen, der Luft- und Raumfahrt sowie der Autoindustrie, wobei hier vor allem Airbus und BMW im Fokus stehen.

Beide Konzerne begegnen dem Brexit mit umfangreichen Notfallplänen, aber unterschiedlicher Tonalität. Während BMW nicht erpicht darauf ist, als Paradebeispiel für eine schmerzhafte Trennung des Vereinigten Königreichs von der EU herzuhalten, ist Airbus alles andere als zurückhaltend. Das mag in der Person von Airbus-Chef Tom Enders begründet sein. „Wenn es einen Brexit ohne Abkommen gibt, müssen wir bei Airbus möglicherweise sehr schädliche Entscheidungen für Großbritannien treffen“, warnt der Manager. Es gebe auf der Welt genug Länder, die gern Tragflächen für Flugzeuge bauen würden. Die britische Luft- und Raumfahrtindustrie stehe deshalb am Abgrund.

Die Werksverlagerungen, mit denen Enders unverhohlen droht, wären nicht leicht oder über Nacht zu vollziehen. Aber die Not könnte dazu zwingen. Denn Airbus ist der wohl europäischste Konzern überhaupt. Auf den Britischen Inseln werden alle 1600 Flügel für jährlich rund 800 Airbus-Zivilflugzeuge gebaut. Aus einem Stück Metall, das in Deutschland gefertigt wird, entsteht in Großbritannien eine Tragfläche, die im französischen Toulouse oder Hamburg an ein Flugzeug geschraubt wird. Zweieinhalb der bis zu 30 Meter langen Flügel überqueren im Schnitt täglich den Ärmelkanal. Nimmt man Zulieferer dazu, sind am Bau von Airbus-Fliegern fast 700 Fertigungsstätten auf beiden Seiten des Kanals beteiligt. Das System baut darauf, dass es keine Grenzen, Bürokratie oder Wartezeiten am Zoll gibt.

Heute dauert eine Abfertigung am britischen Hafen Dover rund zwei Minuten je Lkw. Das Doppelte hätte 30 Kilometer Stau zur Folge, haben Transporteure ausgerechnet. Bei einem harten Brexit drohen 45 Minuten.

In der Autoindustrie ist die Teilelieferung noch enger getaktet als in der Luftfahrt. Hier ist die Lagerhaltung vielfach auf anliefernde Lkw reduziert. Kommt ein Teil zu spät, stockt die Produktion. Das könnte vor allem das Werk der Kleinwagenmarke Mini in Oxford treffen, das aus der EU beliefert wird. Zudem fertigt der weiß-blaue Konzern auf der Insel Motoren für diverse BMW-Modelle und unterhält dort auch ein Presswerk.

Weil derzeit niemand weiß, was der Brexit im Detail mit sich bringt, betreiben BMW und Airbus so weit das geht Notfallplanung. Der Autobauer zieht seine sommerlichen Werksferien in allen britischen Fabriken auf April vor. Falls sich nach vier Wochen der Brexit-Rauch immer noch nicht verzogen hat, wird es richtig ungemütlich. Einen Monat hofft auch Airbus überbrücken zu können. Dazu werden auf beiden Seiten des Kanals Lager aufgebaut. Enders beziffert die Kosten dafür auf eine zweistellige Millionensumme. Bei einem harten Brexit würde es deutlich teurer. Stockt es bei Tragflächen aus Großbritannien, wären die ersten EU-Fabriken, an denen die Produktion stoppt, Hamburg und Toulouse.

Welche Vorbereitungskosten für den Brexit bei BMW anfallen, verschweigen die Münchner. Auch sie bauen beiderseits des Kanals Materiallager als Brexit-Puffer auf. Daneben hat sich BMW Luftfrachtkapazitäten im ungenannten Ausmaß gesichert, um Teile an mutmaßlichen Staus in hauptsächlich von einem Brexit betroffenen Zollhäfen vorbei in die eigenen Werke befördern zu können.

Parallel dazu hat BMW mehrere tausend Lieferanten in Großbritannien und Europa über mutmaßliche Zollformalitäten für Import und Export nach einem Brexit informiert. Das gleicht einem Stochern im Nebel, weil die mangels Austrittsvertrag niemand kennt. Das größte Problem dürfte für BMW sein, in Oxford gefertigte Minis in die EU zu bringen. Vier von fünf dort gebaute Kleinwagen gehen in den Export.

Airbus wiederum droht auch ein Brexit-bedingtes Personalproblem. Heute werden Spezialisten in der Fertigung rege zwischen Toulouse, Hamburg, dem walisischen Broughton und dem westenglischen Filton ausgetauscht. Hat Hamburg am Montag ein Problem, fliegen am Dienstag Spezialisten aus Großbritannien ein oder umgekehrt. Wären nach einem Brexit Arbeitsvisa fällig, funktioniert dieser Personalaustausch so nicht mehr. Deshalb klingt es schon fast flehentlich, wenn Enders an die Briten appelliert. „Wenn Sie wirklich glauben, dass der Brexit das Beste für Großbritannien ist, dann beschließen Sie wenigstens eine pragmatische Trennung auf Basis eines Vertrags, der auch Planung erlaubt.“ Danach sieht es nicht aus.

Artikel 5 von 5