Nord Stream 2: Auflagen, aber keine Blockade

von Redaktion

VON VERENA SCHMITT-ROSCHMANN

Brüssel/Berlin – Das seit Jahren umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 muss sich auf neue EU-Vorschriften einstellen, kann aber voraussichtlich weitergebaut und betrieben werden. Dies ist Ergebnis eines Kompromisses, den Vertreter der EU-Länder, des Europaparlaments und der EU-Kommission erzielten. Die Bundesregierung kann sich als Erfolg anrechnen, den Stopp des Milliardenprojekts verhindert zu haben. Dessen Gegner sehen sich jedoch einen Schritt weiter: Erstmals bekommt die EU einen Hebel gegen Nord Stream 2 in die Hand.

Die Leitung des russischen Staatskonzerns Gazprom durch die Ostsee von Russland nach Deutschland entzweit seit Jahren nicht nur Europa. Auch US-Präsident Donald Trump zieht alle Register und droht mit Sanktionen gegen Beteiligte an dem Milliardenprojekt. Trotzdem wurde seit vorigen Sommer bereits rund ein Drittel der 1200 Kilometer langen Pipeline gebaut. Zum Jahresende soll sie fertig sein.

Die Leitung soll künftig jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland nach Deutschland transportieren – noch einmal so viel wie die seit Jahren betriebene Schwesterpipeline Nord Stream. Kritiker monieren, Europa mache sich noch abhängiger von russischem Erdgas.

Die Ukraine fürchtet zudem, als Transitland ausgebremst zu werden und milliardenschwere Durchleitungsgebühren einzubüßen.

Weil auch Polen und die baltischen Staaten das Projekt vehement ablehnen, versuchte die EU-Kommission seit Jahren, Nord Stream 2 zu reglementieren. Die Bundesregierung blockierte das mit Mitstreitern im Rat der EU-Länder, bis sie vorige Woche nach Druck aus Paris beidrehen musste.

Die EU-Kommission ist nun nach eigener Darstellung am Ziel: Erstmals gelten künftig EU-Energieregeln auch für Pipelines, die aus anderen Staaten in die EU führen. Demnach darf zum Beispiel die Produktion von Erdgas und der Betrieb der Pipeline nicht in einer Hand liegen – anders als bei Gazprom. Ein Betreiber muss Konkurrenten die Nutzung der Leitung gegen Gebühr erlauben. Die Regeln sollen den Wettbewerb ankurbeln und Monopolpreise vermeiden. „Das ist ein großer Fortschritt hin zu einem integrierten Gas-Binnenmarkt“, kommentierte EU-Kommissar Miguel Arias Cañete die in der Nacht zum Mittwoch erzielte Einigung.

Im Umkehrschluss können solche Auflagen Profite schmälern und Betreibern das Leben so schwer machen, dass Projekte wie Nord Stream 2 theoretisch unrentabel werden könnten. Das hat die Bundesregierung wohl erfolgreich verhindert: Der Kompromiss sieht Ausnahmen und Sonderregeln vor, die die Folgen abmildern dürften.

Wie sich diese genau auswirken, trauten sich aber auch Beteiligte am Mittwoch noch nicht zu bewerten. Die Einigung sei sehr frisch, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Man müsse zunächst die fertigen Texte genau prüfen, sagte die SPD-Europaabgeordnete Martina Werner. Die formale Zustimmung des EU-Rats und des Europaparlaments steht auch noch aus.

Vereinbart ist nach Angaben des Europaparlaments, dass die neuen Regeln nur auf EU-Territorium gelten beziehungsweise in EU-Gewässern – nicht schon am Ausgangspunkt der Pipeline, also in Russland. Deutschland darf im Falle von Nord Stream 2 mit Russland über Ausnahmen „auf Grundlage der EU-Regeln“ sprechen und darüber entscheiden, wie aus einer Mitteilung des Europaparlaments hervorgeht. Allerdings heißt es dort auch: „Die Kommission wird die verbindliche Entscheidung darüber treffen, die Ausnahme zu gewähren.“

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