München – Die Finanzwirtschaft richtet sich auf eine noch längere Phase mit tiefen Zinsen ein und damit mit gebremsten Möglichkeiten, im klassischen Geldgeschäft ordentliche Gewinne zu erwirtschaften. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, rechnet mit dem Tiefpunkt der Zinsspanne erst für 2023. Die Zinsspanne ist die Differenz zwischen Sollzins und Habenzins, also das, wovon die Banken hauptsächlich leben.
Selbst wenn die Europäische Zentralbank anfangen würde, die Leitzinsen allmählich anzuheben (wofür derzeit nichts spricht), steht den Banken die eigentliche Herausforderung noch bevor. Denn die meisten ausgereichten Kredite sind festverzinslich. Das heißt: ihre Zinsen bleiben niedrig. Dagegen erwarten die meisten Sparer, dass sich steigende Leitzinsen möglichst schnell auch auf ihren Tagesgeldkonten und Sparbüchern bemerkbar machen. Genau das müssen die Banken aber hinauszögern, wenn sie keine Verluste in Kauf nehmen wollen. Für Sparer bedeutet: Die Durststrecke, bis ihre Guthaben auch inflationsbereinigt wieder einen kleinen Ertrag abwerfen, ist noch lang.
Die 236 dem Verband angeschlossenen Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern schlagen sich im für sie unerfreulichen Finanzumfeld ordentlich. Zwar sank ihr Zinsüberschuss 2018 erneut – um 57 Millionen Euro auf 2,956 Milliarden. Doch das konnte ein steigender Provisionsüberschuss (den verdienen die Banken unter anderem an der Vermittlung von Wertpapieren) mehr als wettmachen. Er lag mit 1,094 Milliarden um 64 Millionen Euro über Vorjahr.
Doch den schönen Erfolg machte ein dickes Minus beim Bewertungsergebnis wieder zunichte. Die Volks- und Raiffeisenbanken versuchen dem Niedrigzinsumfeld durch Anlage in Wertpapieren zu entgehen – überwiegend in Unternehmensanleihen. So litten sie unter dem Kurseinbruch im vierten Quartal 2018. Das belastete das Ergebnis mit 310 Millionen Euro, sodass die bayerischen Genossenschaftsbanken 2018 beim Vorsteuerergebnis mit 1,241 Milliarden Euro um 240 Millionen Euro schlechter dastehen als 2017.
Allerdings hat der einmalige negative Effekt für die Banken auch etwas Gutes: Sobald die Kursdelle überwunden ist, werden aus den Abschreibungen vom Vorjahr wieder Zuschreibungen, die künftige Ergebnisse deutlich aufhübschen können.
Auch 2018 sank die Zahl der Genossenschaftsbanken in Bayern durch acht Fusionen von 244 auf 236. Das Tempo der Schrumpfung wird sich zunächst nicht ändern. Auch für 2019 und 2020 rechnet Gros in Bayern mit jeweils acht Zusammenschlüssen. Die Zahl der Geschäftsstellen sank im abgelaufenen Jahr um 128 auf 2254. Trostpflaster für die Kunden: In der Hälfte der geschlossenen Filialen stehen für die wichtigsten Aktionen noch Automaten zur Verfügung.
Während Gros üblicherweise zu den schärfsten Kritikern der ausufernden Bankenregulierung zählt, hatte er diesmal auch eine gute Nachricht im Gepäck. Die EU hat die Grenze für kleinere und mittleren Banken, die von den schlimmsten Auswüchsen verschont bleiben, mit fünf Milliarden Euro definiert. Unter den im Genossenschaftsverband Bayern organisierten Instituten liegt nur die katholische Liga Bank in Regensburg über dieser Schwelle. MARTIN PREM