München – Frank Sommerfeld kennt seine Kunden immer besser. „Bei 18- und 19-Jährigen kann man das Fahrverhalten noch gut verändern, bei 20- bis 21-Jährigen relativ wenig, danach bei bis 28-jährigen wieder mehr“, sagt der Privatkundenvorstand der heimischen Allianz-Tochter. Er weiß das, weil die Allianz in der Kfz-Versicherung seit drei Jahren sogenannte Telematik-Tarife anbietet. Dabei misst der hierzulande zweitgrößte Kfz-Versicherer per Smartphone-App und einem Datenstecker im Auto das Fahrverhalten junger Kunden, die einen solchen Tarif haben. Wer gesittet fährt, dem winken bis zu 30 Prozent Rabatt auf den Versicherungsbeitrag.
Erste Erfahrungen zeigen, dass Verkehrserziehung auf diese Weise besser als erhofft klappt. „Ich kenne einen 18-Jährigen, der hat mit einem Score von unter 70 angefangen, nach zwölf Monaten war er Goldmedaillenfahrer“, beschreibt Sommerfeld eine für dieses Alter typische Entwicklung. Diese Aussage ist erklärungsbedürftig. Telematik-Technik misst, ob ein Fahrer sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, wie rasant er beschleunigt und wie oft er bremst oder wie schnell er in Kurven fährt, ob er gehäuft nachts oder im Berufsverkehr unterwegs ist. Telematik-Versicherer wie die Allianz erfahren davon im Detail nichts, betonen sie. Diese Rohdaten werden vielmehr von speziellen Dienstleistern in einen Punktestand übertragen. Nur der wird dann Allianz & Co. übermittelt.
Fahrer selbst haben per App im Detail Zugriff auf alle Daten. Sie können mit wenigen Klicks erfahren, welches Fahrverhalten ihnen den miesen Punktestand eingebrockt und Rabatt gekostet hat. Dieses Feedback bleibt offenkundig nicht wirkungslos. Das gilt zumindest für Generationen, die mit dem Smartphone und digitalem Wetteifern aufgewachsen sind.
Bei der Allianz reicht der Punktestand von null bis 100. Ab 70 Punkten gibt es eine Bronzemedaille, bei über 80 Punkten Silber und ab 90 Punkten Gold. Bis zu 30 Prozent Rabatt sind damit je nach Fahrstil erreichbar. Wer unter 70 Punkten bleibt – egal wie weit – wird nicht mit Beitragsaufschlägen bestraft. Das gilt branchenweit. So gesehen sind Telematik-Tarife risikolos. Finanziell gesehen kann man nur gewinnen.
„Fahrer mit Telematik-Tarif erhalten nach dem ersten Jahr im Schnitt 220 Euro zurück“, sagt Sommerfeld für die Allianz. Die Summe liegt so hoch, weil der Assekuranzriese bisher Telematik-Tarife nur Fahrern bis zum Alter von 28 Jahren angeboten hat. Sie zielen damit vor allem auf Fahranfänger, die als besonders großes Risiko gelten, weil erfahrungsgemäß vor allem junge, männliche Autofahrer viele Unfälle und Schäden verursachen. Ihre Beiträge sind deshalb am höchsten, weshalb ein Spareffekt hier auch besonders zu Buche schlägt.
Gewinner von Telematik-Tarifen sind aber auch die Versicherer. „Wir sehen eine Tendenz zu einer 20 Prozent geringeren Schadenhäufigkeit“, bilanziert Sommerfeld nach drei Jahren Erfahrung. Als Vergleichsgruppe gelten Fahrer im gleichen Alter ohne Telematik-Tarif. Die Differenzen können auch mit Selbstselektion zu tun haben, räumt er ein. Wer sich selbst einen gesitteten Fahrstil attestiert und damit Chancen, einen Versicherungsrabatt zu erfahren, der greift zu einem Telematik-Tarif, Freunde sportlicher Fahrweise eher nicht.
Einer solchen Vermutung entgegen stehen individuelle Verbesserungen innerhalb der Gruppe von Telematik-Kunden. „Das Fahrverhalten ändert sich“, stellt Sommerfeld zum Einfluss von Telematik-Tarifen klar. Im Schnitt schaffen Telematik-Kunden der Allianz 15 Prozent Rabatt. Sehr ähnlich ist es beim heimischen Marktführer in der Kfz-Versicherung, der Huk Coburg. Beide Schwergewichte weiten deshalb nun ihr Telematik-Angebot auf alle Altersgruppen aus. Huk hat das schon getan. Bei der Allianz ist es ab kommenden Montag so weit. „Wir wollen herausfinden, ob auch über 29-Jährige ihren Fahrstil noch ändern können“, sagt Sommerfeld. Zudem wolle man Marktführer im Telematik-Segment bleiben. Hier haben die Münchner mit 90 000 Policen gegenüber 75 000 Verträgen von Huk die Nase gegenüber den Coburgern vorne.
Diese Zahlen klingen gering angesichts rund 8,6 Millionen Kfz-Policen im Bestand der Allianz. Aber von Neukunden unter 29 Jahren hat zuletzt immerhin schon jeder Dritte zum Telematik-Tarif gegriffen, sagt Sommerfeld. Sie seien damit auf dem Weg zum Massengeschäft.