Falkenberg – Ein High-Tech-Dorf ist Falkenberg nicht. Im Ortskern stehen ältere Häuser, ein paar Bauernhöfe, am Rand neue Einfamilienhäuser. 800 Einwohner leben hier, rund 30 Kilometer südlich von Kassel. Und doch weht hier ein Hauch von High-Tech durch den beschaulichen Ort.
In einem zweistöckigen Neubau hat sich die Shift GmbH niedergelassen. Samuel Waldeck, kahl rasierter Kopf, akkurat gepflegter Vollbart, Kapuzenpulli lächelt. In der Hand hält er das, um das es im von ihm zusammen mit seinem Bruder Carsten und dem Vater gegründeten Unternehmen geht. Das erste faire, nachhaltige produzierte Smartphone aus Deutschland: Das Shift-Phone.
Ende 2014 hat Shift die ersten Smartphones ausgeliefert, bislang wurden mehr als 30 000 verkauft. „Ende des Jahres sollen es 50 000 sein“, sagt Carsten Waldeck, ebenfalls Vollbart, auf dem Kopf eine graue Schiebermütze. Zum Vergleich: Samsung hat weltweit 2018 rund 295 Millionen Smartphones verkauft, Apple 209 Millionen und Huawei 203 Millionen.
Es ist eine ebenso spannende wie unglaubliche und leicht verrückte Geschichte, die die beiden Brüder, Jahrgang 1970 und 1978, in der nordhessischen Provinz vor sechs Jahren angestoßen haben. „Dass es das Shift-Phone gibt, ist eigentlich unrealistisch“, sagt Carsten. Aber das neueste Modell liegt vor ihm auf dem Tisch, zerlegt in wenigen Sekunden in seine 13 Einzelteile.
Samuel Waldeck zeigt, wie das Shift-Phone in Sekunden mit einfachen Handgriffen in seine Einzelteile zerlegt werden kann. „Das ist im Prinzip wie Lego“, lacht er. Damit kann alles ausgetauscht oder das Gerät einfach aufgerüstet werden. „Das ist das modularste Smartphone der Welt“, sagt Samuel stolz. Vor sechs Jahren hatten sie die Idee für das Smartphone.
Bis dahin hatten auch die Waldecks herkömmliche Geräte genutzt. „Aber bei den meisten ist alles verklebt, verbacken und gelötet. Ein einfacher Austausch von Teilen ist nicht möglich“, beklagt Samuel. Genau das haben die Shift-Phone-Macher mit ihren Geräten geändert.
444 Euro müssen aktuell für das kleinste Shift bezahlt werden, 733 Euro für das teuerste. Neue Akkus gibt es ab 20, Displays ab 55 Euro. Das verlängert die Lebens- und Nutzungsdauer. Bei Shift zahlen Käufer zudem 22 Euro Pfand. Geben sie das Gerät zurück, erhalten sie das Pfand und den aktuellen Wert zurück. Shift arbeitet die Smartphones auf, tauscht defekte Teile aus und bietet sie als Second-Hand-Geräte an.
Extrem wichtig sind den beiden auch die Herkunft der Rohstoffe und die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung. Im Kongo hat sich Carsten zertifizierte Minen angeschaut, wo Coltan und Gold geschürft wird. Die Metalle sind auch für die Shift-Phones unverzichtbar und sollen unter menschenwürdigen Bedingungen gefördert werden.
Auch verweist Samuel Waldeck auf die fairen Arbeitsbedingungen am Firmensitz in Falkenberg sowie in der kleinen Shift-Manufaktur im chinesischen Hangzhou, wo die Smartphones hergestellt werden. Weil alles gesteckt wird, sind bei der Fertigung in China keine Reinräume nötig. Es besteht damit kein Problem mit giftigen Dämpfen durch Löten und Kleben. Die Montage findet auf einer normalen Büroetage statt.
Dabei gilt auch in China für die derzeit zehn Frauen und Männer der Acht-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche bei sozialer Absicherung, Fortzahlung bei Krankheit und Mutterschutz. Auf Zeitarbeitskräfte wird verzichtet. Shift zahlt den Mitarbeitern umgerechnet mindestens 1000 Euro – das Dreifache des chinesischen Mindestlohns. Aber warum produziert Shift überhaupt in China? „Die empfindlichen Bauteile wie Platinen, Displays, Kameras und Sensoren müssten für die Luftfracht aufwendig verpackt werden. Es fiele also viel Verpackungsmüll an“, erklärt Carsten Waldeck.
Natürlich muss auch Shift rentabel arbeiten. Aber den Waldecks geht es nicht darum, möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften. „Der Gewinn bleibt im Unternehmen und wird investiert oder wir unterstützen soziale Projekte.“ Deshalb erwägen die Gründer, demnächst die GmbH in eine Stiftung zu überführen, damit auch künftig keine Gewinne entnommen werden. „Nicht Gewinnmaximierung, sondern Sinnmaximierung ist unser Ziel“, sagt Samuel Waldeck.