Mailand – Der Clan von Italiens Skandal-Politiker und Medienunternehmer Silvio Berlusconi (82) nimmt Deutschlands Fernsehlandschaft ins Visier: Die Mailänder Privatsendergruppe Mediaset ist als Aktionär bei der Unterföhringer TV-Gruppe ProSiebenSat.1 eingestiegen. Mediaset-Chef Pier Silvio Berlusconi (50), Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten und frisch gebackenen Europaparlamentariers, teilte das am Mittwoch mit.
Demnach hält Mediaset jetzt 9,6 Prozent der Anteile von ProSiebenSat.1 und wäre damit Nummer zwei hinter dem US-Investmentfonds Capital World Growth, der nach einer Mitteilung vom August vorigen Jahres 9,98 Prozent der Aktien des Unterföhringer Unternehmens besitzt. „Der schnelle Globalisierungsprozess, der das internationale Umfeld bestimmt, erfordert, dass europäische Medienunternehmen wie wir Kräfte vereinen“, erklärte Berlusconi junior. Er hat ehrgeizige Pläne. Der Manager hat nach Berichten italienischer Medien den Plan, den „einzigen paneuropäischen frei empfangbaren Fernsehsender“ zu schmieden.
Die Berlusconis kontrollieren Mediaset über ihre Investmentgesellschaft Fininvest, die von Berlusconis Tochter Marina (52) gelenkt wird. Deren Schwester Barbara Berlusconi (34) und Bruder Luigi (30) sitzen dort in Aufsichtsrat und Vorstand, auch Schwester Elonora (33) arbeitet bei Fininvest.
Spekulationen über eine mögliche Übernahme der deutschen Sendergruppe durch Mediaset gibt es schon länger. ProSiebenSat.1-Chef Max Conze hatte einen Zusammenschluss kürzlich abgelehnt: „Ich sehe keine industrielle Logik in einer industriellen Kombination von Mediaset und ProSiebenSat.1.“ Den Einstieg der Italiener als Aktionäre dagegen erklärte Conze nun für willkommen: „Wir begrüßen die Investition von Gruppe Mediaset und sehen dies als Votum des Vertrauens für unsere Strategie und unser Team.“
Den Einstieg bei ProSiebenSat.1 begründete Berlusconi Junior am Mittwoch mit der Abwehr der Konkurrenz aus Übersee, gemeint sind mutmaßlich die US-Internetriesen Netflix, Amazon & Co. Die Vereinigung der Kräfte europäischer Medienunternehmen ist aus Berlusconis Sicht nötig, „wenn wir weiterhin vor dem Hintergrund unserer europäischen kulturellen Identität im Wettbewerb mit globalen Schwergewichten punkten oder uns sogar eventuellen Übergriffe widersetzen wollen“, wie es in der Mitteilung hieß.
Die Frankfurter Börse reagierte begeistert: Die ProSiebenSat.1-Aktien schossen nach Veröffentlichung der Nachricht zeitweilig um mehr als sieben Prozent nach oben. Letztlich schlossen sie mit 1,4 Prozent im Plus. Sowohl Mediaset als auch ProSiebenSat.1 leiden unter dem gleichen Problem: Werbeeinnahmen wandern allmählich ins Internet ab, junge Zuschauer sind nur noch schwer fürs traditionelle Fernsehen zu gewinnen.
JOHANNES WELTE