Berlin – Es ist eine schöne Idee, die umweltbewussten Bundesbürgern unmittelbar einleuchtet. Senkte der Staat die Mehrwertsteuer für Ferntickets der Deutschen Bahn, würden die Fahrkarten billiger. Mehr Leute nähmen den Zug – und nicht Flugzeug oder Auto. Der Plan ist wieder in der Diskussion, seit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ihn im April auf die Tagesordnung setzte. Doch jetzt sagt Christian Dürr, Fraktionsvize der FDP im Bundestag: „Scheuer hat das Problem leider nicht richtig durchdacht.“ Rechtlich sei die Begünstigung der Bahntickets wohl „nicht möglich“.
19 % für Bahnfahrt über 50 Kilometer
Es geht um die Mehrwertsteuer für Bahnfahrten, die länger sind als 50 Kilometer. Heute entrichten die Fahrgäste 19 Prozent Mehrwertsteuer auf den Nettopreis. Bei Fahrten im Nahverkehr der Bahn wird hingegen nur der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent erhoben. Scheuer plädiert dafür, diese Steuerbegünstigung auf den Fernverkehr auszudehnen.
Das ist ein Teil der umweltpolitischen Offensive der Union. Fahrten mit dem Zug verursachen weniger klimaschädliches Kohlendioxid als beispielsweise Inlandsflüge. Als Köder für die Verbraucher will Scheuer den niedrigeren Preis auslegen. Für eine Fahrt von Hamburg nach Köln, die im Sparpreis heute 47,90 Euro kostet, müssten Passagiere dann nur noch 43,06 Euro zahlen. Der Fahrschein Berlin – München, der im Flexpreis mit 153 Euro zu Buche schlägt, wäre für 137,50 Euro zu haben. Im Vergleich zum Flugzeug würde Bahnfahren relativ attraktiver.
Aber geht das überhaupt? FDP-Politiker Dürr richtete eine sogenannte Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Das Bundesfinanzministerium antwortete, es sei „der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer zu berücksichtigen“. Daraus leitet Dürr die Einschätzung ab, dass unterschiedliche konkurrierende Verkehrsträger steuerlich gleich behandelt werden müssten – in diesem Fall beispielsweise Fernreisen mit Bahn, Flugzeug und auch Bus. Die Schlussfolgerung: Der Gesetzgeber dürfe nicht einseitig den Mehrwertsteuersatz der Bahn reduzieren, ohne die gleichen Vorteile auch Flugzeugen und Bussen zugutekommen zu lassen. „Wenn Scheuer die Mehrwertsteuer für Bahntickets senken will, riskiert er, dass auch Inlandsflüge und Fernbusfahrten noch billiger werden“, sagt Dürr. Bestätigt sieht sich der FDP-Politiker, weil Enak Ferlemann, Staatssekretär in Scheuers Verkehrsministerium, die Angelegenheit „prüft“.
Sind Verkehrsmittel unterschiedlich genug?
Möglicherweise allerdings liegt Scheuer richtig – und sein Kritiker falsch. Professor Joachim Wieland von der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer gibt eine eindeutige Einschätzung ab: „Fernreisen mit der Bahn können ohne Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer anders als Flugreisen oder Busreisen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz besteuert werden.“ Einerseits seien die Verkehrsmittel zwar vergleichbar, andererseits aber unterschiedlich genug, um abweichende Steuersätze zu begründen. Bahnreisen hafte ohnehin das Image der „Klimafreundlichkeit“ an, so Wieland. Der Steuervorteil stellt in dieser Logik deshalb keine Wettbewerbsverzerrung dar. Was juristisch geht, muss allerdings politisch umgesetzt werden. Weil nicht nur Scheuer, sondern auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) die Idee für gut hält, stehen die Zeichen ganz gut, dass die Verbilligung kommen könnte.